Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
verschwanden. Doch dieser seltene Augenblick der Freude verflog genauso schnell, wie er auch gekommen war. Denn immerhin, dachte Claire, hatte sie nicht einmal den Hauch einer Ahnung, was es mit dieser Befreiung auf sich hatte.
Sofort fuhr sie herum und sah zu dem Agenten hoch, der noch immer neben ihr stand. Er grinste sie an, während noch immer dünne Rauchschwaden aus dem Lauf seines Revolvers aufstiegen. Das Blut auf seinem Gesicht war inzwischen vollkommen verkrustet und erinnerte Claire an Kriegsbemalung irgendeines primitiven Naturvolkes.
Tausend Fragen stoben plötzlich durch ihren Verstand.
Wer? Wie? Warum?
Doch noch ehe sie dazu kam , auch nur eine zu stellen, erklang auch schon die Stimme des Agenten:
„Es tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Mords schrecken eingejagt habe“, sagte er, „aber ich konnte die verdammten Schlüssel nicht mehr finden. Sie müssen wir wohl aus der Tasche gefallen sein, als ich…“
Seine Stimme verstummte, doch dafür wurde sein Grinsen auch schlagartig breiter.
„Wer sind Sie?“, fragte Claire schließlich, ohne überhaupt auf das Gesagte einzugehen.
Sie konnte spüren, wie ihre Aufregung wuchs und mit einem Mal glaubte sie ganz und gar nicht mehr daran, dass der Mann, der ihr in diesem Augenblick gegenüberstand, Agent beim FBI war.
„Mein Name ist nicht wichtig“, erwiderte der Mann, „aber von mir aus können Sie mich gerne ‚Roger‘ nennen, wenn’s Ihnen recht ist. Der Name ist so gut wie jeder andere. Finden Sie nicht auch?“
Claire kannte dieses Spielchen und nicht zuletzt deswegen mahnte sie sich sofort zur Vorsicht.
Dieser Name ist so gut wie jeder andere…
Die gleichen Worte hatte John zu ihr gesagt. Damals, am Flughafen, dachte Claire, kurz bevor er mit seiner Geschichte ihre komplette Welt ein für allemal in Schutt und Asche gelegt hatte.
Dennoch glaubte sie inzwischen nicht mehr daran, dass dieser Mann eine Gefahr für sie darstellte. Denn immerhin, dachte sie, hatte er sie soeben befreit. Wäre er ihr nicht freundlich gesonnen, hätte er sich wohl kaum die Mühe gemacht.
Oder?
„Gut, Roger “, sagte Claire schließlich und erhob sich wieder auf die Beine, „für wen arbeiten Sie? Nach Ihren Methoden zu urteilen, bestimmt nicht für das FBI, oder?“
Nicht in tausend Jahren …
Obwohl sie es eigentlich nicht für möglich gehalten hätte, wurde Rogers Lächeln tatsächlich noch breiter. Es kam ihr vor wie ein höhnischer Ausdruck von Überlegenheit, den dieser Mann wahrscheinlich absolut jedem entgegenschleuderte, wie einen frisch gebackenen Ziegelstein.
„ Nein, Miss Hagen“, sagte er schließlich, „ich arbeite tatsächlich nicht für das FBI.“
„Und für wen sonst?“
Claires Aufregung wuchs.
„Für jemanden, den Sie verdammt gut kennen. Ich arbeite für…“
75.
Peter arbeitete sich voran.
Langsam und einen Schritt nach dem anderen.
War der Aufstieg noch so schwer gewesen, dachte er, so ging ihm der Abstieg vergleichsweise leicht von der Hand. Die meiste Zeit rutschte er auf dem Hintern den Abhang hinab und krallte sich dabei mit den Händen in den sandigen Boden. Spitze Steine und Felsen rissen ihm die Hose auf und bohrten sich in seinen Rücken. Doch Peter nahm kaum etwas davon wahr. Zu groß war in diesem Augenblick nämlich die Aufregung darüber, w as wohl als Nächstes passieren würde.
Zugleich erinnerte er sich auch immer wieder daran, dass es nicht leicht werden würde, sein Ziel zu erreichen. In seiner gottverdammten Dienstpistole steckte nur eine einzige Patrone, während seine Feinde bis an die Zähnen bewaffnet waren.
Nicht nur Ginsberg , dachte er, sondern auch Claire Hagen. Sie war mit einer Maschinenpistole bewaffnet gewesen, als er sie aufgegriffen hatte. Mit einer Maschinenpistole, neben der seine eigene Waffe so kümmerlich und wertlos aussah wie eine gottverdammte Steinschleuder.
Doch obwohl seine Chancen bei genauer Betrachtung gegen Null tendierten, wollte er nicht aufgeben.
Niemals…
Denn mit ein bisschen Glück, dachte Peter, würde sein Plan schon aufgehen. Er musste nur auf der Hut bleiben und durfte nichts überstürzen.
Du schaffst es, Pete. Du schaffst es …
Diese und ähnliche Gedanken geisterten durch seinen Verstand, wäh rend er den steilen Hügel hinabrutschte und dabei der Stadt immer näher kam.
76.
„ …ich arbeite für Ihren ehemaligen Boss, Arthur Flynn.“
Claire war vollkommen durcheinander und es gelang ihr nicht, ihre wahren Gefühle zu verbergen.
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