Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
schließlich durch den Stollen. Wer auch immer dort in der Dunkelheit lauerte – er hatte es auf Teddy abgesehen. Claire konnte sehen, wie der alte Mann das Gleichgewicht verlor, auf den Boden knallte und reglos schließlich liegen blieb.
Trotz ihrer Erleichterung reagierte Claire schnell. Die Gefahr war zwar gebannt, dachte sie, doch sie wusste nicht, um welchen Preis. Immerhin konnte sie das nächste Opfer dessen sein, was sich direkt vor ihr in den Schatten verbarg.
Sie sprang sofort auf und robbte auf Rogers Gewehr zu. Gleich nachdem sie es zu fassen bekam, legte sie den Finger auf den Abzug und wandte sich in einer schnellen Bewegung um. Der Lichtkegel der Taschenlampe , die am Lauf befestigt war, fraß sich durch die Dunkelheit und drängte die Schatten zurück.
Gleich darauf konnte sie Teddy erkennen:
Er lag noch immer ausgestreckt auf dem Boden und rührte sich nicht. Auch sein zweiter Arm schien inzwischen gebrochen zu sein. Die Handfläche stand in einem komischen Winkel ab und zeigte unnatürlich nach außen.
All diese Eindrücke prasselten in Windeseile auf Claire ein, während sie langsam den Lauf der Waffe hob und den Lichtstrahl dorthin lenkte, wo sie den Angreifer vermutete.
Gleich darauf konnte sie eine Gestalt erkennen:
Sie kniete noch immer über Teddy und hielt seinen Hals umschlungen. Ihre Fratze war mit getrocknetem Blut verschmiert und ihre Augen funkelten. Doch am schlimmsten, dachte Claire, war das Grinsen. Es war eine nervöse Geste, die ihr in diesem Augenblick entgegenschlug.
Die Zähne funkelten im grellen Schein der Taschenlampe – und erinnerten Claire sofort an...
... was zum?...
...an einen ramponierten Lattenzaun, der vergeblich versucht hatte, einem Hurrikan zu trotzen.
Noch während sie darüber nachdachte, ließ die Gestalt von Teddy ab und kam direkt auf sie zu.
Claires Finger verspannte sich um den Abzug, jederzeit bereit, das Feuer zu eröffnen.
Dann hielt sie den Atem an und biss die Zähne zusammen.
98.
Andy konnte sich nicht regen.
Er war gefangen in einem riesigen Spinnennetz aus Angst. Es lähmte seinen Körper und brachte seine Gedanken zum Erliegen.
So stand er da und sah zu, wie die Kreatur langsam aus dem Brunnenschacht emporstieg und sich zu voller Größe aufrichtete.
In den letzten Tagen hatte Andy viele Vampire gesehen.
Sehr viele sogar...
Manche von ih nen waren nichts weiter gewesen als wandelnde Leichen, die sich inständig nach Blut verzehrten. Andere wiederum schienen dieses Stadium bereits hinter sich gelassen zu haben. Sie waren Meister der Verführung und konnten Gedanken lesen. Und als wäre das allein nicht schon genug, dachte Andy, sahen sie beinahe so aus wie normale Menschen. Man musste schon ganz genau hinsehen, um den Unterschied zu erkennen.
Doch ganz egal, was er bis dahin auch gesehen hatte – nichts von alledem kam der Kreatur gleich, die ihm in diesem Augenblick gegenüberstand:
Nicht in tausend Jahren...
Denn dieser Vampir, dachte Andy, hatte bereits alles abgelegt, was menschlich war. Er hatte es im Laufe der Zeit einfach abgestreift, so wie eine Schlange manchmal ihr komplettes Schuppenkleid abstreifte, um zu wachsen.
Die Haut des Vampirs war ledrig und von dicken schwarzen Borsten überzogen. Sie bildeten ein dichtes, pechschwarzes Fell unter dem unablässig die kräftigen Muskeln bebten.
Trotz seiner imposanten Größe bewegte er sich mit einer ruhigen Anmut, die für gewöhnlich nur Raubtieren eigen war. Und als Andy genauer darüber nachdachte, wusste er, dass er damit recht hatte.
Absolut...
Denn diese Kreatur, dieses abgrundtief hässliche Monster, dachte er, war tatsächlich ein Raubtier. Es war ein uralter Parasit, der seit jeher die Menschheit heimsuchte und sich von ihr ernährte.
Und so , wie es aussah, dachte Andy weiter, musste er verdammt vorsichtig sein, wenn er nicht als nächstes Opfer dieser Bestie enden wollte.
Trotz seiner Angst zwang er sich dazu, standhaft zu bleiben. Vor einer Woche noch, dachte er, wäre er bei diesem Anblick wahrscheinlich schreiend davongelaufen. Doch seitdem war viel passiert – die Dinge hatten sich nun einmal geändert und auch er selbst war von diesen Veränderungen nicht verschont geblieben.
Andy war schon längst nicht mehr der Junge, der er einst gewesen war.
Nein, mit Sicherheit nicht...
Denn das Schicksal hatte eine große Verantwortung auf seine Schultern geladen und er war unter dieser Last nicht zusammengebrochen. Nein, dachte Andy, er hatte nicht
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