Fleisch und Blut 2: Thriller (German Edition)
mit eingezogenem Schwanz das Weite gesucht, so wie es sein Vater getan hatte. Stattdessen hatte er gekämpft wie ein Mann - und mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen.
Und selbst in diesem Augenblick, da die Hoffnungslo sigkeit seinen Verstand umwehte wie ein eisiger Windstoß, gab er nicht auf und kämpfte weiter.
Denn er war beinahe am Ziel angelangt. Und gerade deswegen durfte er nicht nachgeben. Er stand nämlich kurz davor, seine Mutter aus den Fängen dieser Bestie zu befreien.
Er musste nur noch...
„Hallo Andy“, sagte plötzlich die Kreatur und beugte sich zu ihm hinab. Ihre Stimme war nichts weiter als ein tiefes Gurgeln und die Laute kamen ihr zischend über die blutigen Lippen. Ihre Mundwinkel spannten sich zu einem Grinsen und gaben den Blick frei auf einen gezackten Schlund voller langer und gebogener Zähne.
Andy stand nur da und erwiderte nichts.
Stattdessen kämpfte er immer wieder gegen den inneren Dr ang an, einfach auf dem Absatz kehrtzumachen und aus dieser in Stein gehauenen Hölle zu verschwinden.
„Wie ich sehe, hast du mir ein Geschenk mitgebracht“, fuhr die Kreatur fort. Mit ihren dicken Klauen deutete sie auf das Kreuz, das immer noch um Andys Hals baumelte. Es glühte mehr als je zuvor und die feurige Glut, die davon ausging, wurde mit jeder Minute schlimmer. Doch noch konnte Andy die Hitze ertragen, die durch seine Jacke drang und ihm allmählich die Haut versengte.
Deswegen blieb er einfach still und versuchte sich nichts von der Angst anmerken zu lassen, die sein Herz umschlungen hielt. Obwohl Andy insgeheim natürlich wusste, dass sich die Kreatur vom Blut ihrer Opfer ernährte, ahnte er dennoch, dass sie sich wahrscheinlich auch an deren Angst labte. Die Angst, dachte er, war letztendlich der Zuckerguss auf ihrem brodelnden Durcheinander des Wahnsinns. Und auch wenn sie sich nicht von ihr ernährte, so verschaffte sie ihr dennoch Genugtuung.
Und genau diese Genugtuung wollte Andy ihr nicht geben.
Niemals...
Kerzengerade stand er da, wie ein Soldat in Habacht stellung, und verfolgte gebannt jede noch so kleine Bewegung des Monsters. Direkten Blickkontakt vermied er jedoch, so gut er konnte. Dadurch wollte er sich dem dunklen Sog entziehen, der von ihren Augen ausging. Ein Sog, dachte Andy, der manchmal den Verstand lähmte und dafür sorgte, dass man jegliche Vorsicht über Bord warf.
„Was ist los, Junge?“, fragte die Kreatur, „hat ein Kätzchen etwa deine Zunge gefressen?“
Diese Bemerkung schien die Bestie zu erheitern. Ihr Grinsen wurde breiter und sie begann zu lachen. Doch in Andys Ohren klang es gar nicht wie ein Lachen. Vielmehr hörte es sich so an, als würde jemand immer und immer wieder mit den Fingernägeln über eine Schiefertafel kratzen. Es war ein spitzes Geräusch, das durch den steinernen Raum hallte und sich in der Dunkelheit der Kuppel verlor.
Kaum war es verklungen, nahm Andy auch schon seinen ganzen Mut zusammen. Er atmete einmal tief durch und der Gestank der Kreatur verschlug ihm dabei den Atem.
Es war der Geruch eines frisch geöffneten Grabes...
... mitten im Sommer.
Dennoch fuhr er fort und stellte die Frage, nach deren Antwort er sich so sehr verzehrte:
„Wo ist meine Mutter?“
Seine Stimme klang schwach und kümmerlich, doch das war ihm in diesem Augenblick vollkommen egal. Er wollte es endlich zu Ende bringen und ein für alle Mal aus diesem Höllenschlund verschwinden.
Er wartete, doch die Kreatur machte keine Anstalten, seine Frage zu beantworten.
Dennoch konnte Andy sehen, dass etwas im Gange war. Etwas, dachte er, das in diesem Augenblick vielleicht genauso gut war wie eine offene und ehrliche Antwort:
Denn genau hinter der Kreatur gerieten die Schatten plötzlich in Bewegung. Sie wirbelten herum , überschlugen sich und es dauerte nicht lange, bis eine Gestalt aus ihnen hervortrat. Es war fast so, als würde sie von der Dunkelheit ausgespien, in der sie sich bis zu diesem Zeitpunkt versteckt hatte.
Andy erkannte sofort, wer es war:
Es war seine Mutter.
Mom...
Sie war vollkommen unversehrt und sah genauso aus, wie er sie seit jeher in Erinnerung hatte.
Frisch, jung und wunderschön...
Sie tat einige Schritte in seine Richtung. Doch dann blieb sie abrupt stehen.
Im gleichen Augenblick konnte Andy auch zum ersten Mal die Besorgnis in ihrem Gesicht sehen. Tiefer Kummer spiegelte sich in ihren Zügen, während ihre Augen das Kreuz für keine Sekunde aus den Augen ließen.
Das Kreuz , das Kreuz...und
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