Fleisch und Blut - Der Kannibale
erklärte Aemisegger, dass er das Wenige, was er dazu sagen könne, bereits im Zusammenhang mit der Vermisstenanzeige zu Protokoll gegeben hätte. Natürlich hatte Aemisegger das Protokoll gelesen. Doch insgeheim erhoffte er sich einen entscheidenden Hinweis auf das Verbrechen. Frieden erklärte ihm, dass er selbst täglich im Fitnesscenter trainiere. Sein Kumpel Lukas sei in unregelmässigen Abständen ins Training gekommen. Geplant gewesen wäre ein gemeinsames Training am Tag seines Verschwindens. Frieden bestätigte erneut, dass es korrekt sei, dass Lukas nicht erschienen und sich vorgängig auch nicht abgemeldet hätte. Mehrmals hätte er versucht, Lukas Brennwald telefonisch zu erreichen, doch es sei ihm nicht gelungen. Am übernächsten Tag nach dem nicht zustande gekommenen Treffen sei dann das Handy von Lukas ausgeschaltet gewesen. Das war alles. Mehr wusste er nicht.
So sehr sich die Kommissare Aemisegger und Köppel auch bemühten, es brachte sie keinen Millimeter weiter. Sie hatten nicht den leisesten Anhaltspunkt und ihre Bemühungen führten direkt ins Nichts. Es war zum Stiggelisinnig werden. Es lag nicht am Druck von aussen, das Verbrechen aufzuklären. Vielmehr nagte eine innere Verzweiflung an ihnen. Auch wenn sie nicht darüber sprachen, sie wussten beide, dass der Täter erneut zuschlagen würde, wenn sie ihm nicht schleunigst auf die Spur kommen würden.
Noch ein Skelettfund
Der Morgen verlief auf dem Präsidium ohne nennenswerte Ereignisse. Wenigstens trudelten nach und nach die Ergebnisse bezüglich weiterer Skelettfunde ein. Die Meldung war von allen Seiten dieselbe: keine Knochenfunde. Um 16 Uhr läutete das Telefon im Kommissariat erneut. Endlich kam Bewegung in die Sache. Am Telefon meldete sich die Zuständige der Kantonspolizei Basel mit wichtigen Informationen. Und diese fuhren dem Kommissar in die Knochen.
In Süddeutschland, unmittelbar vor der Schweizer Grenze, waren bei einer abgelegenen Feuerstelle Knochen, Zähne und winzige Metallstücke – vermutlich Füllungen – aufgefunden worden. Offensichtlich seien dort Teile eines menschlichen Körpers verbrannt worden. Auch Überreste von Tieren seien in der Asche gefunden worden. Ein Orientierungsläufer hatte den Fund bei der örtlichen Polizeistelle gemeldet. Vom Täter fehlte jede Spur. Die Grenzpolizei war damals mit der Basler Kantonspolizei in Kontakt getreten.
«Chef, was ist los?»
Im ersten Moment erschrak Köppel, seinen Vorgesetzten in einer derart miesen Verfassung vorzufinden. Sein Gesicht war mit Sorgenfalten gezeichnet, das Haar zerzaust. Aemisegger lehnte in seinem Stuhl und fixierte einen Punkt an der gegenüberliegenden Wand. Auf Köppels Frage reagierte er erst gar nicht, dann aber nickte er und starrte wieder apathisch an die Wand. Köppel war irritiert. Sehr sogar. Es interessierte ihn brennend, was sein Chef im Gespräch mit der Kripo Basel vernommen hatte.
«Gibt es Neuigkeiten Aemisegger?», bohrte Köppel nach.
Aemisegger nickte. Das war alles.
«Und?»
Anstelle einer Antwort zu geben, schüttelte Aemisegger den Kopf und meinte lediglich: «Was für ein Tag!»
«Wissen Sie was, Herr Aemisegger? Wenn Sie mich nicht gleich informieren, rufe ich die Zuständige der Basler Kantonspolizei selber an. Sie haben doch eben mit Basel telefoniert, oder?»
«Hetzen Sie mich nicht, Köppel! Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen. Und wissen Sie was? Weder Opfer noch Täter konnten ausfindig gemacht werden. Die deutschen Kollegen stehen am gleichen Punkt wie wir. Am Nullpunkt.»
Köppel versuchte, sich einen Reim zu bilden. Sein Gehirn schaltete schnell: Offenbar hatte Aemisegger von den Basler Kollegen von einem Knochenfund in Deutschland erfahren. Soweit konnte er die verschlüsselte Aussage seines Chefs interpretieren.
«Scheisse. Das heisst, es gab einen Knochenfund in Deutschland? Und die Kollegen von dort haben mit Basel telefoniert?»
«Ja. Menschliche Überreste wurden unmittelbar bei der Grenze aufgefunden. Der Fall liegt einige Monate zurück. Verstehen Sie eigentlich, was da geschieht? Es treibt sich ein hochkranker Mensch in der Gesellschaft rum!»
«Ja, so scheint es zu sein.» Köppel war nachdenklich geworden. «Gibt es Informationen zum Opfer in Deutschland?»
«Wie gesagt, die Identität ist bis heute unklar. Offenbar wurde das Opfer von niemandem vermisst. Dem Untersuchungsbericht zufolge handelt es sich um einen Mann um die 35. Seine
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