Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
lebt.
Claire dachte nach. Sie d achte so angestreng t nach , wie sie es noch nie zuvor in ihrem Leben getan hatte. Ihr Leben hing von dem ab, was sie als N ächstes tat . Nicht nur ihr eigenes , sondern auch das ihrer Schwester.
Sie erwog etliche Möglichkeiten, spielte sie in Gedanken durch , nur um sie gleich darauf wieder zu verwerfen . Ihre Gedank en kreisten immer schneller, verdichteten sich und zerstoben gleich darauf wieder.
Aber sie gab nicht auf.
Er lebt. Oh mein Gott, er lebt!
Und dann , völlig unvermittelt, glaubte sie die Möglichkeit gefunden zu haben. Einen Weg, um sich und Amanda zu retten.
Trotzdem hatte sie keine Gewissheit, dass ihr Plan aufgehen würde.
91 .
„Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?“, fragte der Mann mit dem Revolver.
Claire starrte ihn an, während die Gedanken in ihrem Inneren tobten.
„Macht das denn einen Unterschied?“, fragte sie.
„Nein“, sagte der Mann, „ vermutlich nicht.“
Er hob die Waffe und zielte auf Claires Kopf.
„Irgendwelche letzten Worte?“, fragte er.
Claire schüttelte den Kopf.
„Nein“, sagte sie, „nur ein en letzter Wunsch.“
„Und der wäre?“
Claire deutete mit der Hand auf den leblosen Körper von George.
„Ich möchte mich von ihm verabschieden, bevor...“
De r Mann kniff die Augen zusammen, als versuchte er ihre Worte zu deuten. Das Herz schlug Claire bis zum Hals. Sie wusste, dass alles davon abhing, wie er sich entschied. Selbst der kleinste Zweifel würde dafür sorgen, dass er sie sofort erschoss.
Die Sekunden verstrichen. Dann endlich entspannte sich die Mimik des Mannes. Er deutete mit der Waffe auf Georges Körper und sagte:
„Na los , machen Sie schon . Ich gebe Ihnen eine Minute.“
Eine Minute.
Claire sprang sofort auf , lief zu George und beugte sich über ihn. Sie küsste ihn auf die Wange. Doch es war keine Anwandlung von Zärtlichkeit, die sie dazu veranlasste. Sie wollte sich vergewissern, dass seine Augen tatsächlich glühten und dass es nicht nur Einbildung gewesen war.
Bitte, bitte, bitte.. .
Sie hatte Glück: Ein kurzer Augenblick reichte aus, um zu erkennen, dass es keine Einbildung gewesen war. Georges Augen glühten tatsächlich. Doch nicht nur das: Seine Pupillen zitterten und bebten. Sie waren zwei schwarze Striche, die sich abwechseln d zusammenzogen und wieder weiteten – wie die Pupillen eines Raubtieres. Claire wusste sofort, was das zu bedeuten hatte: George lebte und er reagierte auf optische Reize. Seine Augen fokussierten ständig neu . Die Kugel musste ihn schrecklich verletzt haben, dachte Claire, aber ohne ihn zu töten. In diesem Augenblick lag er wahrscheinlich im Sterben, bei vollem Bewusstsein zwar, aber unfähig sich zu regen.
Dieser Gedankengang erschien Claire logisch. Trotzdem verschaffte er ihr keine Gewissheit darüber, ob ihr Plan aufgehen würde. Es konnte genauso gut sein, dass absolut nichts passierte.
Aber was hatte sie in diese m Augenblick schon zu verlieren? Wenn sie nichts unternahm, dachte sie, wären sie und Amanda so gut wie tot.
Deshalb schob sie sämtliche Zweifel einfach beiseite. Es fiel ihr schwer – vor a llem, weil sie beinahe spürte, wie ihr die Zeit in diesem Augenblick durch die Finger glitt, wie feiner Sand. Denn bereits im nächsten Moment konnte sich der Irre mit der Waffe dazu entschließen, sie zu töten.
Eine Minute.
Claire vertraute nicht darauf, dass er sein Wort hielt . Sie tat einfach , wozu ihr Instinkt ihr riet.
Sie war über George gebeugt und bedeckte seine Wange mit Küssen. Währenddessen fuhr ihre rechte Hand in die Richtung seines Gesichtes. S ie tat es langsam, um kein Misstrauen zu erwecken.
I hre Finger ertasteten Georges Kinn, seine Lippen und schließlich auch seine Zähne. Sie waren spitz und rasiermesserscharf. Doch Claire ließ sich nicht von ihrem Plan abbringen. Ihre Hand glitt immer weiter. So weit, bis es ihr schließlich gelang, ihre Handkante in Georges Mund zu schieben . Das erforderte nicht nur sehr viel Kraft , sondern auch Überwindung. Denn bei jeder Bewegung spürte sie , wie sich seine Zähne tiefer in ihr Fleisch bohrten. Es fühlte sich an, als würde sie ihre Hand in einen Scherbenhaufen drücken.
O bwohl sie fühlte, wie sich ein warmer Blutstrom in Georges Mund ergoss, spürte sie keine Schmerzen. Sie war zu sehr in Sorge , als dass sie in der Lage gewesen wäre , irgendetwas zu fühlen.
Als ihr schließlich gelungen war, was sie vorgehabt hatte, tat sie das Einzige , was ihr
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