Fleisch und Blut
sagte, es sei wichtig, dass ich mit Mrs. Yeager spräche, einer alten Freundin, eine Art Familienangelegenheit.
»Ist dies ein Notfall, Sir?«
»Schwer zu sagen. Ich brauche nur ein paar Minuten.«
»Ein Moment.«
Mehrere Minuten später meldete sich eine schwache Stimme: »Ja, bitte?«
»Mrs. Yeager, mein Name ist Alex Delaware. Ich bin ein Psychologe, der für die Polizei arbeitet, und ich habe mir Shawnas Fall angesehen - ich habe gerade damit angefangen, und es gibt leider nichts zu berichten. Aber ich habe mich gefragt, ob wir miteinander reden könnten.«
»Ein Psychologe? Worum geht's? Eine Art Untersuchung?«
»Nein, Ma'am. Ich berate die Polizei, versuche, ein paar Antworten zu finden - ich weiß, dass eine lange Zeit verstrichen ist -«
»Ich mag Psychologen. Eine Psychologin hat mir geholfen. Ich war krank - sie haben geglaubt, es wäre ... Wo sind Sie, Sir?«
»Unten im Foyer.«
»Hier? Oh. Nun gut, ich bin in ein paar Minuten fertig; ich treffe Sie draußen am Burton Way neben dem Personalausgang.«
Als ich um die Ecke kam, stand sie bereits da, eine kleine, dünne, grauhaarige Frau in einer rosafarbenen Uniform. Ihre Haare waren kurz geschnitten und dick, und sie trug eine Brille mit rechteckigen Gläsern in einer Stahlfassung. Frisch aufgetragener scharlachroter Lippenstift schrie von aufgesprungenen Lippen, und auf ihren Wangen hatte sie Rouge aufgelegt. Sie hatte eine hohe Taille und eine flache Brust und sah zehn Jahre älter als einundfünfzig aus.
»Vielen Dank, dass Sie sich dieser Sache annehmen, Dr. - war es Delavalle?«
»Delaware. Ich kann Ihnen leider nicht versprechen -«
»An Versprechungen bin ich nicht mehr interessiert. Mein Wagen steht ein paar Straßen weiter. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mich zu begleiten?«
»Nicht im Geringsten.«
»Es ist ohnehin ein schöner Tag«, sagte sie. »Zumindest, was das Wetter angeht.«
Wir gingen auf dem Burton Way nach Osten, und sie dankte mir noch einmal, dass ich mich Shawnas Falls angenommen hatte. Ich versuchte, die Verantwortung dafür von mir zu weisen, aber sie wollte davon nichts hören. Ließ sich darüber aus, dass es allmählich auch Zeit wurde, dass die Polizei sich nie wirklich darum gekümmert habe. »Und dieser Detective, den man darauf angesetzt hat - Riley. Er hat kein bisschen unternommen. Aber ich will nichts Schlechtes über die Toten sagen.«
»Er ist gestorben?«, fragte ich.
»Wussten Sie das nicht? Vor knapp zwei Monaten. Er ist nach seiner Pensionierung in die Wüste gezogen, hat seine ganze Zeit mit Golfspielen verbracht und ist eines Tages einfach auf dem Golfplatz umgekippt. Ich weiß es, weil ich ihn regelmäßig angerufen habe - nicht zu oft, weil ich offen gestanden nicht viel Vertrauen in ihn gesetzt habe. Aber er war ... eine Verbindung zu Shawna. Er war kein schlechter Mensch, dieser Riley. Bloß nicht ... sehr energisch. Er gab mir seine Privatnummer, als er in Rente ging. Als ich ihn das letzte Mal anrief, hat seine arme Frau es mir erzählt, und ich musste sie schließlich trösten. Sie sehen also, ich hoffe nicht auf ein Wunder, aber zumindest bin ich nach allen Seiten offen. Weil Riley und der Rest von denen das meiner Ansicht nach nicht waren. Ich will damit nicht sagen, dass sie sich absichtlich nicht richtig darum gekümmert haben, aber ich habe immer noch den Eindruck, dass sie einfach dachten, es wäre unmöglich, Shawna zu finden, und es nie richtig versucht haben.«
Kein Zorn. Eine Rede, die sie oft gehalten hatte.
»Was hätten sie Ihrer Meinung nach tun können?«
»Sich mehr an die Öffentlichkeit wenden. Ich hab's bei den Zeitungen versucht, aber die waren nicht interessiert. Man muss reich und berühmt sein, um von denen zur Kenntnis genommen zu werden. Oder von jemandem umgebracht werden, der reich und berühmt ist.«
»Manchmal ist das so in L. A.«, sagte ich.
»Wahrscheinlich überall, aber alles, was ich kenne, ist L. A., weil das die Stadt ist, in der meine Shawna gestorben ist - sehen Sie, ich bestreite das gar nicht mehr. Darüber bin ich hinaus. Das letzte Mal, als ich mit Leo Riley gesprochen habe, versuchte er mir zu sagen, dass ich mir keine großen Hoffnungen mehr machen sollte. Es war ein bisschen komisch, wie er ganz nervös wurde und zu stottern anfing, als ob er mir was erzählen würde, was ich nicht schon wusste. Aber an dem Punkt war ich schon lange angekommen. Völlig unmöglich, dass meine Shawna so lange verschwunden war, ohne mir Bescheid zu
Weitere Kostenlose Bücher