Fleisch und Blut

mit Tony Duke zu zeigen.
    »Sie hat Kopien aufgehoben«, sagte er. »In ihrem Schließfach. Unter ein paar Aktienzertifikaten.«
    Zwei Briefe. Im ersten erinnerte Jane Duke an ihre Zeit in Hawaii und informierte ihn darüber, dass er Vater einer Tochter geworden war. Eine Bleistiftnotiz unten auf der Seite war fünf Tage später datiert:
     
    TD rief an, 15 Uhr, kein Prob mit $, möchte L sehen. Ich sagte Probleme, vielleicht später.
     
    Im zweiten Brief dankte Jane Duke für seine rasche Antwort, entschuldigte sich dafür, dass sie ihm Lauren vorenthielt, und beschrieb sie als »eine sehr intelligente junge Dame, die aber leider - ohne ein Verschulden deinerseits, lieber Tony - derzeit emotional angeschlagen und stark gestört ist«.
    TD rief 3x an, sagt, er kennt Arzte. Hab ihn hingehalten. Lauren ist wieder verschwunden, keine Ahnung wohin. Nächstes Mal Kaution oder nicht?
     
    Ein letztes Blatt in Janes Handschrift umriss die finanzielle Vereinbarung. Fünfzigtausend Dollar pro Jahr als Treuhandvermögen für Lauren, das von Jane beaufsichtigt wurde, unter der Voraussetzung, dass Jane alles tun würde, um ein Treffen herbeizuführen, und dass Duke Lauren kennen lernen würde, wenn sie sechsundzwanzig wurde.
    Vater und Tochter hatten sich um sechs Monate verpasst.
    Ich gab ihm die Blätter zurück. »Wie ist der Stand der Dinge bei Mel Abbot?«
    »Er dürfte bald entlassen werden, nur weiß niemand genau, wohin mit ihm. Der nächste Verwandte, den man gefunden hat, ist ein Cousin in New Jersey, der fast genauso alt ist wie Mel. In der Zwischenzeit liegt Irving in demselben Gang wie Abbot auf der Gefängnisstation - du hast sein Gesicht ganz schön in die Mangel genommen. Der Staatsanwalt wird Anklage wegen mehrfachen Mordes erheben. Gretchen hilft dem Büro des Bezirksstaatsanwalts dabei, den Fall zusammenzustellen, um damit Pluspunkte für ihre eigene Anklage zu sammeln - die FBI-Kollegen haben sich schließlich gerührt und verifiziert, dass Irving einer ihrer ganz großen Kunden war. Gegen Gretchen haben wir nur in der Hand, dass ihre Freundin Ingrid wusste, dass ich nach Michelle suchte, und dass wir beobachtet haben, wie sie am nächsten Tag auf Dukes Anwesen gefahren ist.«
    »Gretchen mauschelt wieder mit den Justizbehörden«, sagte ich.
    »Der Staatsanwalt will Irving auf einem Tablett, und Gretchen kann die Lücken ausfüllen. Sie kann auch das Motiv für den Mord an Michelle beisteuern - nein, es gab keine Erpressung, niemand ist sicher, ob Michelle überhaupt irgendwas Gefährliches wusste. Aber Irving hat das geglaubt - um kein Blatt vor den Mund zu nehmen: Dass ich Michelles Namen Gretchen gegenüber erwähnte, kam der Unterzeichnung ihres Todesurteils gleich - und, nein, ich mache mir keine Vorwürfe deswegen, ich hab nur meinen Job gemacht. Solche Dinge passieren einfach manchmal.« Er rieb sich über das Gesicht. »Und Gretchen behauptet immer noch, nie von Shawna gehört zu haben. Ich würde sagen, ich hatte Recht damit, dass Shawna nichts mit diesem Fall zu tun hat, aber im Moment weiß ich einfach nicht, was richtig ist und was nicht. Genauso gut könnte Irving Fotos von ihr gemacht, sie gevögelt und ermordet haben.«
    »Gretchen liefert Michelle und Lance ans Messer und kommt ungestraft davon?«
    »Vielleicht bekommt sie eines Tages, was sie verdient ... Außerdem hab ich rausgefunden, dass Irvings Klamottenfirma wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten Bankrott gegangen ist - er hat eine Armee von Gläubigern zurückgelassen, und das Bauprojekt am Strand ist überwiegend mit Fremdmitteln finanziert. Da werden eine Menge Krallen geschärft - er wird nicht allzu viele Leumundszeugen finden.«
    »Was ist mit Anita Duke?«
    »Bislang scheint sie keinen Dreck am Stecken zu haben«, sagte er. »Als ich mit ihr sprach, sah sie schlimmer als Dugger aus - irgendwelche Verdauungsschwierigkeiten; während einer einstündigen Unterredung hat sie sich tatsächlich vier Mal übergeben. Sie scheint ehrlich schockiert darüber zu sein, was ihr Mann und Cheryl vorhatten - sie ist emotional am Boden zerstört. Selbst in meinen übersättigten Kriminalistenohren klingelt nichts. Als ich wieder ging, setzte sie der Mafioso-Doc unter Beruhigungsmittel... Was sonst noch - ach ja, der charmante Lyle, unser Modellvater, ist endlich wieder aufgetaucht. Sieht so aus, als wäre er wirklich auf der Jagd gewesen. Die Ranger haben ihn aufgegriffen, weil er eine Hirschkuh außerhalb der Jagdsaison geschossen hat; sie