Fleischessünde (German Edition)
aufgegangen. Für einen Augenblick hatte Kai Warin dort gestanden, der damals noch nicht zu Sutekhs Adjutanten erhoben worden war. Diese Stelle hatte damals noch Gahiji bekleidet. Kai hatte nichts gesagt, und Sutekh hatte ihm nur ein Zeichen gegeben, wieder zu verschwinden. Den Vorfall hatte Malthus bis zu diesem Augenblick vollständig vergessen.
Malthus spürte, wie auch durch Alastor und Dagan ein Ruck ging, als das Bleikistchen in der Hand von Kai Warin lag. Voller Spannung waren ihrer aller Augen darauf gerichtet. Und Malthus wusste, was es enthielt, noch ehe Kai den Deckel öffnete.
Es war Lokans Herz.
Jetzt waren alle Teile des Ermordeten beieinander.
Das war der wirkliche Anlass dieser Zusammenkunft und des Friedensangebots von Sutekh.
Wieder ließ dieser seine Stimme ertönen. „Hier liegen vollständig beisammen alle Körperteile meines Sohnes. Sein Körper erwartet nun die Rückkehr seiner Seele. Ich werde ihn wieder zum Leben erwecken. Und dabei schwöre ich: Wir werden uns beraten und werden unsere Bündnisse erneuern, festigen und wollen in Frieden und ohne Groll voneinander scheiden. Es wird keine Rache dafür geben, was meinem Sohn angetan wurde, meinem Sohn Lokan, der mir zur Rechten saß.“
Malthus hämmerte das Herz gegen die Rippen, als Sutekh das Herz in die Brust des Rumpfes senkte, der vor ihm auf dem steinernen Tisch lag. Das war es, worum Alastor und Dagan die ganze Zeit gekämpft hatten. Dieses Ziel hatten sie unbeirrt verfolgt,während er die Hoffnung aufgegeben hatte und nur noch nach Rache gedürstet hatte. Tot war für ihn tot gewesen. Unwiederbringlich. Aber jetzt sah die Sache anders aus.
Sein Blick ging zu seinen Brüdern. Gebannt und ehrfurchtsvoll staunend standen sie da. Dann drehte er sich zu Calliope um. Sie hatte die Stirn gerunzelt, und lautlos bewegten sich ihre Lippen. Er hatte den Eindruck, als ginge sie im Geiste die Möglichkeiten dessen durch, was hier geschehen könnte. Irgendwie wurde er das merkwürdige Gefühl nicht los, als sehe sie etwas, was ihm verborgen blieb.
Rings um sie herum war ein aufgeregtes Geflüster unter den Göttern und Geistern der Unterwelt entstanden. Lebhaft wurden die Konsequenzen dessen diskutiert, was Sutekh ihnen gerade offenbart hatte. Malthus fragte sich, warum ihm nicht danach war, spontan einen Freudentanz aufzuführen. Aber ein unbestimmtes Misstrauen nagte an ihm.
Sutekh war nicht der Typ, der nach erlittenem Unrecht die Hand reichte und alles vergeben und vergessen machte. Das war erst recht unvorstellbar, solange er noch die zerstückelten Glieder seines Sohns vor Augen hatte.
24. KAPITEL
Das Blut der Isis. Das Blut Sutekhs.
Und der Gott wird die Zwölf Tore durchschreiten
Und wieder auf Erden wandeln.
I ch bitte euch, meine Worte zu bedenken und eure Entscheidung zu treffen, während ich nun zu meinen Vorbereitungen schreite“, erklärte Sutekh.
Calliope traute ihm kein Stück weit über den Weg, obwohl ihr nichts aufgefallen war, das in diesem Augenblick ihr Misstrauen konkret begründete. Es war ihr Instinkt, der in ihr alle Alarmglocken zum Schrillen brachte. Die Worte der Prophezeiung wollten ihr nicht aus dem Kopf gehen, und sie wurde das Gefühl nicht los, dass ihr irgendetwas entging, was eigentlich nicht zu übersehen war. Neben ihr stand sichtlich angespannt Malthus. Calliope fragte sich, ob ihm wohl dieselben Gedanken durch den Kopf gingen.
„Eine Frage“, meldete sich Isis zu Wort und trat vor. Ihre Augen waren jetzt nicht mehr schwarz wie Onyx, sondern vollständig weiß, als ob sie in sich hineinschaute und eine Vision hatte. „Zu dieser Zeremonie braucht es Blut. Nur ein Tod kann das Leben zurückbringen. Was gedenkst du dafür zu tun?“
Sutekh wandte sich ihr zu, indem er eine kummervolle Miene aufsetzte. Seine Heuchelei war so offensichtlich, dass Calliope unwillkürlich zusammenzuckte.
„Bedauerlicherweise haben sich diese Todesfälle bereits ereignet, allerdings weder mit meinem Wissen noch mit meiner Billigung. Die Setnakhts haben es auf sich genommen, Blut der Isistöchter zu sammeln. Es geschah in der Absicht, mir zu ermöglichen, wieder auf Erden zu wandeln. Aber sie haben sich dabei verrechnet. Nur in der Unterwelt ist es mir möglich, körperlich zu erscheinen. Ohne einen menschlichen Körper waren ihre Bemühungen vergebens. Diejenigen, die diese Tötungen geplantund ausgeführt haben, wurden bereits zur Rechenschaft gezogen.“
„Richtig“, warf Isis ein. „Einen davon habe ich
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