Fleischessünde (German Edition)
grüßte.
Hinter dieser Gruppe stieg eine zierliche Frau aus dem Boot. Der weiße Stoff ihres Kleides bedeckte sie von oben bis unten und ließ nicht das kleinste Stück Haut sehen. Sie bewegte sich mit majestätischer Grazie, als sie näher kam, und nickte Alastor zu, der ihren Gruß mit einer respektvollen Verbeugung erwiderte.
Dann wandte sie sich an Malthus. „Sie blühen tatsächlich nurnachts, Reaper.“ Ihre Stimme war wie zarter Glockenklang, der Malthus wie bei ihrer früheren Begegnung ein Lächeln entlockte.
Dann warf sie einen Blick auf Calliope und fügte mit einem unmissverständlichen Lächeln in der zauberhaften Stimme hinzu: „Wie ich sehe, hast du inzwischen deine eigene Mondblume gefunden, Malthus Krayl.“
Darauf entfernte sie sich und gesellte sich zu den Shikome, hielt sich aber mit ihnen von den anderen Teilnehmern fern. Sutekh bedachte sie mit einem flüchtigen Gruß, Isis wurde von ihr vollkommen ignoriert.
„Wer ist sie?“, fragte Calliope.
„Izanami-no-mikoto, Naphrés Ahnmutter.“
Calliope sah die anderen erstaunt an. „Aber Naphré ist doch eine Isistochter.“
„Mütterlicherseits schon“, erklärte Alastor. „Von ihres Vaters Seite aber ist sie ein Abkömmling Izanamis. Obendrein ist mir ihre Seele anvertraut, und somit steht Naphré auch unter dem Schutz Sutekhs.“
„Wer auch immer Naphré mitgenommen hat, legt sich also gleich mit drei der mächtigsten Unterweltgottheiten an“, folgerte Dagan.
Malthus blickte nachdenklich zu den Versammelten hinüber. „Es sei denn, einer von den dreien hat sie. Fragt sich, ob Roxy auch in dessen Gewalt ist.“
Aus irgendeinem Grund blieb sein Blick dabei an Sutekh hängen, der auf einer Art erhöhtem steinernen Thron saß und von dort die Ehrerbietungen und Beileidsbezeugungen der anderen Unterweltfürsten entgegennahm, die nun nach und nach auf ihren Booten eintrafen. Wie zuvor Asmodeus schritt auch Xaphan unmittelbar nach seiner Ankunft auf Sutekh zu, umarmte ihn und sprach ihm sein Beileid für den Verlust des Sohnes aus.
Mit der Herzlichkeit seiner Begrüßung unterstrich Xaphan seine Verbundenheit mit Sutekh. Malthus versuchte, sich auf alldas einen Reim zu machen, blieb aber ratlos. Warum sollte Sutekh die Gefährtinnen seiner Söhne entführen? Das alles ergab keinen Sinn.
Schließlich erhob sich Sutekh und schritt auf den steinernen Tisch zu, auf dem die Überreste Lokans lagen, und dessen zentrale Stellung verdeutlichte, worum es bei diesem Treffen gehen sollte.
„Ich reiche euch allen die Hand in Frieden“, setzte Sutekh an. Die Eröffnungsworte waren schon erstaunlich. Sutekh schien zu ignorieren, dass hinter ihm auf dem Tisch die zerstückelte Leiche seines Sohns lag und vermutlich einer der Anwesenden sein Mörder war. „Ich danke euch, dass ihr meiner Einladung gefolgt seid. Und eines möchte ich vorausschicken: Ich bin nicht gekommen, um Rache zu nehmen. Diejenigen von euch, die schon mit mir zu tun hatten, wissen, dass es keine leeren Worte sind, wenn ich das versichere.“
Malthus unterdrückte die Wut, die in ihm aufstieg. Mit der Versicherung, keine Rache nehmen zu wollen, hatte Sutekh ihnen praktisch den Boden unter den Füßen weggezogen, denn jetzt waren nicht nur Sutekh selbst, sondern alle, die ihm unterstanden, einschließlich seiner Söhne, an dieses Versprechen gebunden. Seinen brennenden Wunsch, Lokans Mörder für die Tat bezahlen zu lassen, hatte sein Vater soeben zunichtegemacht.
Malthus spürte, wie Calliope unauffällig ein Stück näher an ihn herangerückt war. Sie hatte sofort erfasst, was in ihm vorging. Sie kannte das unstillbare Verlangen, Rache zu nehmen, aus eigener Erfahrung und wusste nur zu gut, wie schwer es fiel, es nicht befriedigen zu können.
„Ich habe euch hierhergebeten, um euch einen Friedensschluss anzubieten. Und weil ihr Zeuge dessen werden sollt, was hier geschieht.“ Sutekh hob die Hand und winkte Kai Warin zu sich.
Malthus riss die Augen auf, als er das Kästchen wiedersah. Das kleine Bleikästchen mit den Verzierungen an den Seiten und aufdem Deckel. Er hatte es für den Bruchteil einer Sekunde schon einmal gesehen. Und deshalb war ihm auch der Bleibehälter gleich so bekannt vorgekommen, den Alastor und Naphré aufgetrieben hatten.
Malthus erinnerte sich noch ganz genau daran, wie er vor Wochen in Sutekhs Audienzsaal gestanden und mit seinem Vater darüber gesprochen hatte, dass er als Sicherheitsgeisel zu Osiris geschickt werden sollte. Die Tür war
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