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Fleischessünde (German Edition)

Fleischessünde (German Edition)

Titel: Fleischessünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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sich versteckt halten müsse, wenn der Mob außer Rand und Band gerate und der Hass um sich greife. So lange, bis das Schlimmste vorüber war.
    Halb blind vor Tränen blickte sie um sich, aber es schien sich niemand für das kleine Mädchen zu interessieren. Dennoch wurde sie das Gefühl nicht los, dass sie beobachtet wurde. Überall um sie herum wuchs die Aggression von Sekunde zu Sekunde. Die schrecklichsten Schandtaten wurden verübt. Nirgends war sie mehr sicher, während die Eindringlinge ihre Eltern im Haus festhielten.
    Calliope zog sich rasch in ein nahes Gebüsch zurück, in dem sie sich, zusammengerollt und die Arme um die Knie geschlungen, versteckte. Die panische Angst brachte sie fast um den Verstand. Von hier aus konnte sie durch die offene Tür in den Ladensehen. Sie sah, wie zwei Männer ihren Vater festhielten. Einer von ihnen wandte ihr das Gesicht zu, und für einen kurzen Moment meinte sie, dass er sie entdeckt hatte und als Nächstes kommen würde, um sie zu holen. Beinahe wünschte sie es sich, damit sie bei ihren Eltern sein konnte. Aber ihre Gewissheit war größer. Ihre Eltern wollten, dass sie blieb, wo sie war.
    Beinahe war es ihrem Vater gelungen, sich aus der Umklammerung zu befreien. Da kam ein Dritter hinzu und schlug ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Der Mann, der sie angesehen hatte, wandte sich wieder ab. Schluchzend zog sich Calliope tiefer in das Gebüsch zurück und machte sich noch kleiner. Das Schreien und Klagen, das ringsherum die Luft erfüllte, steigerte ihre Panik noch. Trotzdem konnte sie den Blick nicht von der schrecklichen Szene wenden, die sich drüben im Hause ihrer Eltern abspielte. Vielleicht weil sie noch hoffte, dass ihr Vater seine Widersacher niederringen, zu ihr eilen und sie retten würde. Ihr tapferer, starker Vater, der sie auf den Schultern trug, obwohl sie schon ein großes Mädchen war und bald zehn Jahre alt werden würde.
    Aber die Männer, die ihren Vater bedrängten, waren ihm haushoch überlegen. Sie waren größer und stärker. Calliope zuckte zusammen und riss vor Schreck die Augen weit auf. Der Mann, der ihren Vater geschlagen hatte, ließ seine Hand vorschnellen und drang damit in die Brust ihres Vaters ein. Calliope glaubte, die Rippen krachen zu hören, es hörte sich an wie das Brechen von dürren Zweigen. Um nicht laut aufzuschreien, biss sie sich so sehr auf die Lippen, dass sich ihr Mund mit Blut füllte. Der Aufschrei ihres Vaters war kurz und heiser wie das Krächzen einer Krähe.
    Dann riss der Mann ihrem Vater das Herz heraus. Blut spritzte nach allen Seiten. Der bittere Geschmack von Galle stieg in Calliope hoch.
    Mitten in ihrer Schockstarre und grenzenlosen Verzweiflung spürte sie auf einmal starke Arme, die sie umschlangen. Es fühltesich nicht wie ein Angriff an, sondern eher wie eine tröstende Umarmung. Dennoch traute sie diesem Gefühl nicht. Was auch immer sich in diesem Moment eingeschlichen hatte, etwas stimmte damit nicht. So weit hatte sie ihren Verstand noch beisammen. Es hatte in diesen schrecklichen Tagen keinen Trost gegeben.
    Aber diese Tage lagen doch weit in der Vergangenheit. Oder doch nicht? Ein neunjähriges kleines Mädchen war sie damals gewesen. Heute war sie eine erwachsene Frau, eine Isistochter, hundertsechzig Jahre alt. Aber was war das, was sich eben vor ihren Augen ereignet hatte. War die Zeit aus den Fugen geraten, oder war es einfach nur ein Traum gewesen?
    Calliope stieß einen Schrei aus. Wenn es ein Traum war, musste sie versuchen, wach zu werden. Aber sie kam nicht davon los. Wie mit langen, klebrigen Fangarmen hielt es sie fest. Sie kämpfte dagegen an. Sie wollte das alles nicht noch einmal erleben. Nie, nie wieder …
    Der Mann, der ihrem Vater das Herz herausgerissen hatte, lachte laut und ungezügelt auf. Dann legte er den Kopf in den Nacken, hob die Hand, in der er das Herz hielt, und presste es wie einen Schwamm zusammen. In einem dicken Strahl strömte das Blut heraus, dass er sich ins geöffnete Maul laufen ließ, sodass es über sein Gesicht und seinen Hals herunterrann. Darauf bleckte er die Zähne, mit denen er im nächsten Augenblick ein Stück aus seiner Beute herausriss. Er kaute und schluckte.
    Ob Calliope wollte oder nicht, sie musste es mit ansehen.
    Genug! Gleich war es zu Ende. Weiter als bis zu diesem Punkt ging die Szene nie.
    Doch jetzt kam noch eine Person ins Spiel. Aus dem Dunkel des Hinterzimmers löste sich ein Schatten, von den Monstern zunächst unbemerkt, die ihren

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