Flesh Gothic (German Edition)
Gegensprechanlage.
Westmore sah weiter zu: ein Kaleidoskop neonartiger Schlieren, die meisten davon in verschiedenen Blautönen.
»Ich zeichne das für eine kombinierte Wiedergabe auf«, informierte ihn Nyvysk, ehe er sich wieder Karen zuwandte. »Danke, Karen. Schalten Sie die Sonde jetzt aus und kommen Sie wieder runter.«
Nyvysk klickte auf weitere Laschen der Software. Als er das Bildmaterial abspielte, blieb jede Bewegung der Punkte und Schlieren auf dem Monitor, während weitere hinzukamen. So entstand nach und nach eine Form.
»Sehen Sie?«, fragte Nyvysk. »Jetzt kennen Sie den Prozess. Schauen Sie weiter zu, letztlich wird ein fast vollständiges Bild entstehen. Ich bin in ein paar Minuten zurück. Mache mir nur schnell eine frische Kanne Eistee.«
»Also ist das ...«
»Ein Wiedergänger«, fiel ihm Nyvysk recht sorglos ins Wort. »Eine überlebende körperlose Instanz – der Geist einer toten Person.«
Damit ließ ihn Nyvysk allein.
Westmore zündete sich eine Zigarette an und erkannte, wie sich auf dem Bildschirm weitere leuchtende Punkte ansammelten. Zur Abwechslung klickte er neben Nyvysks Bildern durch die normalen Videoanzeigen im Haus. Er sah Mack, der im dritten Stock einen Flur entlangging, Willis, der seine allgegenwärtigen Handschuhe trug, während er im Arbeitszimmer in einigen alten Schmökern las, Adrianne, die in einer der Suiten ausgestreckt auf einem Himmelbett lag.
Karen kam herein und legte die Thermometersonde auf den Tisch. »Was ist das? Sieht aus wie ein Gemälde aus fluoreszierenden Fingerfarben.«
»Das sind Sie, als Sie dieses Thermometerding im Salon geschwenkt haben.«
»Ist das ein ... Scherz?« Sie beugte sich vor, um den Bildschirm eingehend zu studieren. Mittlerweile war das Bild deutlich präziser geworden. Es zeigte eine große, schlanke und sehr menschliche Gestalt. »Und was ist das? «
»Ich glaube, es ist Reginald Hildreth«, erwiderte Westmore.
II
Das »Theta« einer Theta-Trance stammte vom griechischen Wort für Tod: Thanatos. Eine solche Trance – die so gut wie immer eigeninitiiert wurde – ermöglichte es den spirituellen Fragmenten Verstorbener, Gedanken und Visionen mit einem lebenden Medium auszutauschen.
Sofern besagtes Medium gut war.
Cathleen galt als sehr gutes Medium, und sie wusste auch, weshalb. Sie konnte ihre sexuelle Aura regeln wie eine Radiowelle. Diese Aura wirkte gleichsam als Signalfeuer. Ihr Geist formte dadurch quasi eine Antenne zu den Toten.
Da sie Tranceinduktion umfassend beherrschte, standen ihr verschiedene Möglichkeiten offen. Alle Örtlichkeiten waren verschieden, alle Überlebensumstände einzigartig. Ihr fehlte der Mut, zum Friedhof zurückzukehren, vor allem nachts, und das Scharlachrote Zimmer war einfach zu beunruhigend. Sie entschied sich stattdessen für ein Wohnzimmer im fünften Stock, das unmittelbar neben dem Scharlachroten Zimmer lag und einen zum Friedhof ausgerichteten Steinbalkon hatte.
Das erschien ihr nah genug.
In dem Zimmer gab es kein Bett; Cathleen vermutete, dass es sich eher um einen Vorraum zum Erfrischen für viktorianische Damen handelte, wunderschön eingerichtet. Kriechblumenprofilleisten und handgeschnitzte Bekrönungen rahmten einen großen Schminktisch ein. Eine lange Couch mit gewölbter Rückenlehne auf Schnörkelfüßen stand vor dem hinteren Fenster. Der Raum war halbhoch getäfelt und Rosettendrucke zierten die cognacfarbene Tapete.
Cathleen schleifte die Couch über den dicken Teppich, hielt vor den Glastüren inne, trat hinaus auf den Balkon und ließ die warme Nachtluft ins Zimmer strömen.
Mentale Vorbereitung war immer nötig; sie musste sich mit ihrer Position vertraut machen. Cathleen hatte das Gefühl, in der Nacht zu schweben. Sie konnte die Höhe der fünf Stockwerke erspüren, ohne hinunter zum Boden zu schauen; tatsächlich bildete sie sich einen Moment lang ein, es gäbe unter ihren Füßen gar keinen Boden, bis sich ihre Augen anpassten. Schließlich erblickte sie den Pfad im Wald, der zum Friedhof führte, und dachte intensiv daran, was sich dort vor einigen Tagen zugetragen hatte. Ein Schauder der Beklommenheit raste über ihren Rücken, tiefer in ihrem Inneren jedoch setzte beschämende Erregung ein, die ihre Brustwarzen unter dem ärmellosen Shirt hart wie Kieselsteine werden ließ.
Dann zog sie das Shirt einfach aus und schleuderte es beiseite, als wolle sie ihre Brüste den Augen der Nacht darbieten.
Eine warme Brise strich durch ihr Haar. Sie blickte
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