Flesh Gothic (German Edition)
Geheimnissen für immer hinter sich zu lassen.
»Die wackere Reisende«, stieg eine seltsame leise Stimme hervor. Sie erinnerte Adrianne an Stöcke, die rasch aneinandergerieben wurden, ein kratzendes Geräusch, das irgendwie Worte ergab, die sie verstehen konnte. »Ich bin Belarius.«
Adrianne konnte nichts erwidern. Der Anblick von Luzifers oberstem Diener schien zu wabern; sie war dankbar, dass sie sich nicht auf Einzelheiten konzentrieren konnte. Das Gesicht glich einem Albtraum, an den man sich nur noch vage erinnerte, nachdem man in klebrigem Schweiß gebadet aufgewacht war. Alles, was sie erkannte, war ein Antlitz, das abgeschrägt wie eine Meißelspitze zu sein schien, mit großen Augen wie leeren Löchern im Raum.
»Ich lade dich ein, mir zu dienen«, sagte der Herr der Lust zu ihr. »Nur wenigen wird diese Ehre zuteil, selbst unter jenen, die sich so weit vorgewagt haben wie du.«
Ich werde dir nicht dienen, erklärte Adrianne der Kreatur unverhohlen. Dafür bin ich nicht gekommen. Ich bin hier, um Antworten zu finden, das ist alles. Kannst du mir daraus einen Vorwurf machen?
»Nein. Das gesamte Leben und der gesamte Tod sind ein Verweilen und Warten – ein Suchen nach Antworten auf Fragen, die man nicht versteht.«
Danke, versuchte Adrianne sich einzuschmeicheln. Ich will wissen, was in der Hildreth-Villa vor sich geht .
»Und deine Frage wird dir auf die eine oder andere Weise beantwortet werden. Entscheide dich dafür, mir zu dienen – das würde mich sehr erfreuen.«
Ich habe dir schon gesagt, das kann ich nicht. Also wirst du mir nur antworten, wenn ich dir diene?
Die kratzige Stimme wiederholte: »Du wirst auf die eine oder andere Weise eine Antwort erhalten. An deinem stofflichen Körper habe ich mich bereits erfreut – durch meine Akoluthen ...« Der Finger des Herrn der Lust zeigte auf die Adiposianer. »Es ist ein herrlicher Körper. Diene mir und ich verspreche, dass ich dich im Moment deines Todes mit ungekannten Ekstasen vertraut mache.«
Nein.
»Dann wirst du trotzdem hierherkommen, wenn du stirbst. Und ich werde dich jeden Tag vergewaltigen, solange bis das Licht der Sterne erlischt.«
Nein, wiederholte Adrianne. Aber du hast gesagt, du würdest meine Frage beantworten .
Das unwägbare Antlitz musterte sie eingehender. »Frag meinen Diener Hildreth doch selbst. Er wird dir gerne antworten.«
Adriannes Sicht schwenkte. Neben einem altarähnlichen Sockel aus Fleisch stand eine große schlanke Gestalt in einem Kapuzenmantel. Ein unvorstellbar düsteres Lächeln richtete sich auf sie. Das Gesicht im Oval der Kapuze war jenes von Reginald Hildreth.
Er flüsterte mit einer kratzigen, kaum hörbaren Stimme, die der von Belarius glich.
Mein Gott, reagierte Adrianne, als sie hörte, was er ihr zu sagen hatte.
»Nun hast du deine Antwort«, meinte Belarius. »Mach damit, was du willst. Du wähnst dich in Sicherheit, nicht wahr? Dein physischer Körper befindet sich an einem anderen Ort – im Augenblick bist du nur ein Geist, der hier nicht verletzt werden kann, richtig?«
Das glaube ich nicht nur, gab Adrianne zurück. Ich weiß es .
»Dann geh, Reisende. Flieg weg, zurück zu deinem Körper.«
Adrianne konzentrierte ihre Willenskraft darauf, genau das zu tun, doch ...
Was?
Als sie versuchte, sich abzuwenden und aus dem Tempel hinauszubewegen, geschah nichts.
Belarius grinste sie an. »Jaemessyn«, befahl er. »Führe unseren nächsten Gesprächspartner herein.«
Adrianne fühlte sich in der Luft festgehalten, als Jaemessyn den Tempel betrat, gefolgt von zwei Adiposianern, die etwas Kurviges mit beträchtlicher Masse hereinschleiften. Es handelte sich um eine Art Dämonin, gehörnt, kräftig und mit schiefergrauer, schwitzender Haut. Die Brüste, um ein Vielfaches größer als die einer menschlichen Frau, hoben und senkten sich. Das Schamhaar zwischen den muskulösen Schenkeln weckte Vergleiche zu schwarzem Seetang. Die Adiposianer spreizten die Beine der Kreatur, dann gingen sie aus dem Tempel und ließen das bewusstlose Geschöpf liegen.
Was ist das?, fragte Adrianne beklommen.
»Eine weitere Sehenswürdigkeit für dich«, erhielt sie zur Antwort. »Um dir einen bestmöglichen Vorgeschmack auf diesen Ort zu bieten.«
Adrianne versuchte, sich ihre Angst nicht anmerken zu lassen, wusste jedoch, dass es ihr kläglich misslang. Sie konnte sich nicht vom Fleck rühren; irgendwie hatte Belarius die geistige Hülle gelähmt, in der sie sich fortbewegte. Was wird er jetzt mit
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