Flesh Gothic (German Edition)
Nur weil der Typ Pornos für Hildreth gedreht hat, muss er noch lange keine Leichen im Wald verscharrt haben. Bleib mal auf dem Teppich. Die Szene wechselte zum Foyer im Erdgeschoss. Diesmal fand die Action auf der mit rotem Samt ausgelegten Treppe statt, aber als sich die grazile Frau umdrehte, mit der Mack es gerade trieb, kippte Westmore beinahe vom Stuhl.
Es war Vivica Hildreth.
Westmore musste den Anblick erst einmal verdauen. Sie so zu sehen – nackt, in obszöner Pose, ein unverhohlenes Sexobjekt – erregte ihn einerseits, gleichzeitig brachte es ihn aber auf die Palme. Sie war in der Tat eine wunderschöne Frau, nackt genauso betörend, wie er es sich vorgestellt hatte, trotz ihres kosmetisch gelinderten mittleren Alters nahezu perfekt. Rasch kehrte sein klares Denken zurück. Westmore schnappte sich sein Mobiltelefon und wählte ihre Nummer.
Als ihre Mailbox ansprang, sagte er mit gespielter Gelassenheit: »Mrs. Hildreth, hier spricht Richard Westmore. Ich sehe mir gerade einen Porno an, in dem Sie mitspielen. Eine höchst pikante Sexszene auf der Treppe im Foyer – mit Mack. Ich möchte wissen, warum Sie mich angelogen haben. Ich möchte wissen, warum Sie behauptet haben, noch nie zuvor in der Villa gewesen zu sein. Ich kann unmöglich einen Auftrag für Sie erledigen, wenn Sie nicht ehrlich zu mir sind. Rufen Sie mich bitte umgehend zurück und liefern Sie mir eine Erklärung. Im Moment weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Ich komme mir wie ein betrogener Trottel vor, den man sich mit Geld gefügig macht.«
Kochend vor Zorn legte er auf, zündete sich eine Zigarette an und knirschte mit den Zähnen. Was bin ich doch für ein Idiot! Aber warum hatte sie behauptet, noch nie in der Villa gewesen zu sein? Er versuchte, einen Grund für die Lüge zu finden, aber er fand keinen. Als sein Telefon klingelte, hätte er es um ein Haar fallen gelassen, weil er zu hastig danach griff. Das ging ja schnell, dachte er. Mal sehen, was die Bienenkönigin zu sagen hat ...
»Hallo?«
»Du klingst ja unheimlich glücklich, meine Stimme zu hören. Ich schwöre dir, ich war’s nicht, der deinen Hund auf dem Gewissen hat.«
Westmore runzelte die Stirn. Es war nicht Vivica, sondern Tom. »Tut mir leid, Tom. Ich bin ein wenig durch den Wind. Warte dringend auf einen anderen Anruf.«
»Na ja, vielleicht bringt dich diese Info zurück in die Spur. Keine Ahnung.«
»Hast du noch was über Hildreth rausgefunden?«
»Nein, nur weitere Details über seinen kometenhaften Aufstieg. Der Kerl zahlt seine Steuern und hat geradezu unverschämtes Glück auf dem Aktienmarkt. Über Vivica Hildreth findet sich kaum etwas, erst recht nichts, was auf fragwürdige Geschäfte schließen lässt. Eine gesellschaftliche Aufsteigerin aus Sarasota, Florida. Hat sich Mitte der 80er mit Hildreth zusammengetan. Sie ist 52. Vivica scheint mir ein kultivierter Vamp zu sein, der vor allem auf Geld scharf ist. Sieht so aus, als hätte sie dafür genau den richtigen Kerl gefunden. Und ...«
»Was ist mit Debbie Rodenbaugh?«, fiel ihm Westmore ins Wort.
»Immer langsam mit den jungen Pferden, das wollte ich dir gerade erzählen. Deborah Rodenbaugh ist derzeit Studienanfängerin an der Universität von Oxford mit Kunstgeschichte als Hauptfach.«
»Wer hat dir das gesagt?«
»Die Sekretärin aus dem Immatrikulationsbüro, zwei Kunstprofessoren, bei denen sie Kurse belegt, der Leiter der Bodleian-Bibliothek, in der sie einen Teilzeitjob hat, und sie selbst.«
»Was soll das heißen, ›und sie selbst‹?«
»Ich habe gerade am Telefon mit ihr gesprochen. Übrigens, das Ferngespräch nach Oxfordshire geht natürlich auf deine Rechnung. Verfickte 35 Dollar, ist das zu fassen?«
»Ja, ja, schon gut. Aber du sagst, du hast mit ihr geredet?«
»Ja. Wegen der Zeitverschiebung war es drüben gerade 19:00 Uhr, aber ich habe sie in ihrem Studentenwohnheim erreicht. Nennt sich Lady Margaret Hall.«
Westmore konnte es kaum fassen. »Was hat sie gesagt? Etwas über ...«
»Hildreth? Sie meinte, er sei ein seltsamer Mann, der aber immer sehr nett zu ihr war. Ursprünglich wurde er wohl wegen ihrer gemeinsamen Begeisterung für Kunst auf sie aufmerksam. Sie hat anderthalb Jahre lang als eine Art Bürohilfe für ihn gearbeitet. Seinen Tod schien sie aufrichtig zu bedauern. Ihre Tante und ihr Onkel in Jacksonville erzählten ihr davon. Sie meinte, sie könne es kaum glauben. Ihrer Meinung nach wäre er zu einer solchen Tat nicht fähig und hätte nie
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