Flesh Gothic (German Edition)
Sekretärin engagiert.«
»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Die Formulierung kam ihm merkwürdig vor, als wäre sie bis vor Kurzem etwas anderes gewesen. Bis zu Hildreths Tod?, fragte er sich.
»Wenn Sie mir bitte folgen würden«, fuhr sie fort. »Mrs. Hildreth kann es kaum erwarten, Sie kennenzulernen.«
Er betrat mit ihr den Aufzug und beobachtete, wie sich die Türen geräuschlos schlossen. »Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, versuchte er eine Unterhaltung anzustoßen. »Ich bin Enthüllungsjournalist und lebe schon eine ganze Weile in der Gegend. Trotzdem habe ich von der Hildreth-Villa nie etwas gehört.«
Sie sah ihn wieder mit diesem feinen, zurückhaltenden Lächeln an. Eine zierliche Brille unterstrich die Intensität ihrer strahlend blauen Augen. Sie erwiderte nichts.
Tja . »Wo genau befindet sie sich?«
»Ich würde es vorziehen, vorläufig nicht über das Haus zu reden, Mr. Westmore. Mrs. Hildreth wird Ihnen alles sagen, was Sie wissen müssen.«
»Aber ich vermute mal, sie möchte mich engagieren, damit ich einige Dinge enthülle, die sie nicht weiß.«
Keine Erwiderung, während der Aufzug nach oben fuhr. Barocke Hintergrundmusik drang fast unhörbar aus unsichtbaren Lautsprechern.
Brauche ich ein verdammtes Brecheisen, um deinen Mund aufzukriegen, damit du redest? »Zumindest läuft es normalerweise so. Wenn mich jemand engagiert, damit ich für ihn schreibe, geht es auch darum, dass ich Dinge in Erfahrung bringen soll.«
»Noch sind Sie nicht engagiert ...«
Ich mag Frauen mit positiver Persönlichkeit, meldete sich unweigerlich sein innerer Sarkasmus zu Wort. Westmore schüttelte ihn ab. Er war es gewohnt, dass man ihm mit einer abweisenden Haltung begegnete. Wer vertraute schon einem Reporter? Wahrscheinlich befürchtete sie, er würde eine Menge übles Zeug über den Ehemann oder vielleicht sogar über Vivica selbst ausgraben. Eine Mitarbeiterin mit allzu ausgeprägtem Schutzinstinkt.
Sie drehte einen Schlüssel in einem ungekennzeichneten Schlüsselloch neben dem Tastenfeld, während der Aufzug weiter nach oben fuhr. Der Duft, der von ihrem Haar ausging, war berauschend. »Aber verstehen Sie mich nicht falsch, ich hoffe, Sie bekommen den Auftrag«, meinte sie schließlich. »Mrs. Hildreth ist eine äußerst komplexe, detailversessene Persönlichkeit. Es würde ihr immens guttun, herauszufinden, was genau in der Villa vorgefallen ist. Es mögen unangenehme Informationen sein, Mr. Westmore, aber sie würden ihr zumindest etwas Frieden bescheren.«
Jetzt kommen wir langsam weiter. Die Äußerung verriet ihm eine ganze Menge. »Ich werde mein Bestes geben. Das versuche ich eigentlich immer.«
Westmore blickte auf die beleuchtete Etagenanzeige. Das oberste Stockwerk war 39. Die 38 leuchtete auf und erlosch, dann leuchtete die 39 auf und erlosch. Der Lift fuhr noch einen Stock weiter – vermutlich zum Penthouse –, dann hielt er an und die Türen glitten auf.
»Ich verlasse Sie jetzt, Mr. Westmore. Ich wünsche Ihnen ein erfolgreiches Gespräch.«
Westmore schüttelte ihr die Hand. »Sie kommen nicht mit rein?«
»Nein. Der Sicherheitsmitarbeiter und die Haushälterin sind auch weg. Mrs. Hildreth möchte unter vier Augen mit Ihnen reden. Absolut vertraulich. Man weiß schließlich nie, wer etwas belauschen und ein loses Mundwerk haben könnte.«
Hm . Diese Angelegenheit wurde von Minute zu Minute interessanter, dabei hatte er seine potenzielle Auftraggeberin noch gar nicht kennengelernt.
»Ich warte auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Austernbar auf Sie. Kommen Sie dorthin, wenn Sie fertig sind, dann fahre ich Sie nach Hause.«
»Prima, dann brauche ich zurück nicht den Bus zu nehmen. War schön, Sie kennengelernt zu haben«, sagte er, aber der Duft ihrer Haare raubte ihm schier den Verstand. Schätzchen, du bist ein eiskalter Fisch ... aber dein Haar riecht so gut, dass ich mich am liebsten zurücklehnen und aus voller Kehle jauchzen möchte.
»Bis bald, Mr. Westmore«, sagte sie, als die Türen wieder zuglitten.
Wow, die ist irgendwie schräg. Westmore fand sich vor einem beeindruckenden Portal wieder, das vollständig aus schwarzem Marmor zu bestehen schien. Auf einem goldenen Schild stand V. HILDRETH, darüber hing ein höchst merkwürdiger Klopfer aus Gold – ein ovales Schemen, das ein finsteres, nur unzureichend ausgeformtes Gesicht darstellte. Nur zwei Augen, kein Mund, keine sonstigen Konturen. Die Augen schienen ihn zu mustern. Als er die Hand hob, um
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