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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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das Gespräch hatte keine Details von wissenschaftlichem Interesse enthalten, lediglich die wichtige Bemerkung, dass man »an einem solchen Ort nie zu fein angezogen sein« könne. Folglich schloss Erskine, dass er seinen Frack tragen müsste, wenn er das Caravan aufsuchen wollte, aber darin konnte er natürlich nicht zum Boxkampf gehen. Zum Glück hatte er bereits beschlossen, für den Ausflug nach Spitalfields den Mantel seines Vaters anzuziehen und auch die ganze Zeit über anzubehalten, damit sein Anzug nicht mit dem unauslöschlichen Gestank nach Blut, Armut, Hering und Juden getränkt wäre, wenn er in die Suffolk Street zurückkehrte. Die Frackschöße würden unter dem Mantel nicht zu sehen sein.
    Er verbrachte den frühen Abend mit der Lektüre von Lord Alfred Douglas, der genau wie Erskine das Winchester College besucht hatte; dort hatte Erskine längere Zeit an einem Tisch gesessen, in den ein kleiner erigierter Penis eingeritzt war – Douglas’ Werk, wie es hieß. Er war der Freund und Geliebte von Oscar Wilde gewesen, und was Erskine über diesen und seine Kuppler gelesen hatte, fand er abstoßend, aber als er entdeckte, dass »Bosie« – das war Douglas’ Spitzname – auch über das Thema der Rassenreinheit geschrieben hatte, bestellte er aus Neugier seine Schriften in der LondonLibrary. Wie erwartet, waren Bosies Ausführungen eher rudimentär; so beschäftigte er sich zum Beispiel nicht mit Pitt-Rivers’ absonderlicher, aber interessanter Theorie, dass das große evolutionäre Bewusstsein der Spezies mit der sexuellen Inversion eine Möglichkeit gefunden habe, die am wenigsten vielversprechenden Erblinien zu unterbinden, bevor sie sich vermehren konnten. Auch konnte Erskine keine verschlüsselte Anspielung auf die Lasterhaftigkeit entdecken, wie er sie mit abstraktem Vergnügen manchmal in Werken von Autoren wie Douglas fand und im Geiste mit dem Netz einfing und klassifizierte wie Schmetterlinge.
    Er aß Steak-and-Kidney-Pie im Club, zog seinen Frack und seine Handschuhe an, knöpfte den Mantel zu, und so gerüstet nahm er ein Taxi zum Premierland. Die Commercial Road war von Leben erfüllt. Das Taxi überfuhr beinahe das Äffchen eines Drehorgelspielers, das an seiner Kette zerrte. Er hatte gehört, dass Thomas Cook Besichtigungstouren für Touristen im exotischen East End veranstaltete. In Erskines Augen unterschieden sich die Armen der Stadt nicht wesentlich von den Armen auf dem Land, und er verstand weder die einen noch die anderen. Warum mussten sie denn so hässlich und voller unschöner Wunden sein, fragte er sich. Warum mussten sie ständig ihre Kinder anschreien? Warum mussten sie auf die Straße urinieren? Ganz offensichtlich konnte niemand solche beschämenden Zustände um ihrer selbst willen anstreben, sodass sie nur als eine Art absichtlicher, gehässiger Unverschämtheit zu verstehen waren. Auf intellektueller Ebene verstand er, dass die Lage dieser Individuen das Resultat degenerativer Rassenvermischung und ungenügenden Selektionsdrucks war, aber als der Sohn von Celia Erskine, einer bekannten Wohltäterin, konnte er nicht umhin, sich persönlich von dem offensichtlichen Mangel an Dankbarkeit beleidigt zu fühlen. Hatte Karl Marx wirklich so viele Jahre seines Lebens in London verbracht? Dann hätte er doch erkennen müssen, dass ein Aufstand dieser verkrüppelten grauen Kreaturen unangenehm, aber kaum wirksam sein würde – wie eine Rauchfahne, die einem Kamin entsteigt und rasch verweht.
    Der Kampf war ausverkauft, also kaufte er von einem Schwarzhändler im Rollstuhl eine Karte zum vierfachen Preis und suchte sich einen Platz. Er sah sich um. Die Lichter über dem Ring trugen rechteckige schwarze Lampenschirme, die mit Reklame für eine Abendzeitung bedruckt waren, und ringsum an den Seilen hingen rote und blaue Plakate mit dem Programm der Kämpfe der nächsten Woche. Obgleich der übelriechende Mann neben ihm immer wieder seine Schulter anrempelte, fühlte er sich in seinem Mantel sicher. Es war hier nicht wie im Theater – die Zuschauer kamen und gingen und redeten und pfiffen und tranken, wie es ihnen gefiel, einige von ihnen schliefen sogar, während Jungen von Reihe zu Reihe kletterten und riefen: »Schöne Äpfel, zwei Pence das Stück!« Aber auch Erskine selbst verfolgte die ersten beiden Kämpfe nicht sehr aufmerksam. Stattdessen betrachtete er die Zuschauer, um zufällige Beobachtungen zu machen, die er eines Tages in einem Werk über die Eugenik verwerten

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