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Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Flieg, Hitler, flieg!: Roman

Titel: Flieg, Hitler, flieg!: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ned Beauman
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dass Sie bei mir einbrechen. Ich bin sehr reich, aber ich habe mich wohl übernommen. Das ist nur mein Hobby, verstehen Sie? Und außerdem: Wenn Sie mir jetzt etwas tun – Ihrem eigenen Klienten –, wer wird Sie je wieder anheuern?«
    »Ich fürchte, ich glaube Ihnen nicht.«
    »Ich kann es beweisen. Bringen Sie mir meinen Laptop, und ich kann es Ihnen zeigen.«
    »Trauen Sie diesem Mann?«, fragte der Waliser und nickte in meine Richtung. Seine blauen Augen waren so wunderbar klar und blass, dass es beinahe so aussah, als leide er unter Grünem Star.
    »Ja, ich denke schon, in gewissen Maßen«, sagte Grublock. »Warum?«
    »Er kann Dinge finden.«
    »Ja«, sagte Grublock. Dann schoss ihm der Waliser in die Stirn.
    Grublock rutschte in seinem Sessel zur Seite, Blut lief über seine Nase, und er machte ein Geräusch wie das heisere Klicken, das die Festplatte meines Computers von sich gibt, wenn ihre Gigaflops am Ende sind.
    Der Waliser wandte sich mir zu. Ich sah, dass er weiße Latexhandschuhe trug.
    »Werden Sie bitte nicht hysterisch«, sagte er.
    »Suchen Sie wirklich nach einem Käfer?«, stammelte ich.
    »Scheint Ihnen das plausibel?«
    »Nein.«
    »Genau.«
    Also hatte Grublock gelogen. Aber wie verhielt es sich mit seiner späteren Behauptung, mit dieser Geschichte über das anonyme Treuhandkonto? Hatte er nur versucht, sich zu schützen? Ich wusste es einfach nicht. Einen Mörder zu bezahlen, um einen Auktionspreis in die Höhe zu treiben, das war Grublock zweifellos zuzutrauen – einmal wollte er einen konkurrierenden Bauunternehmer davon abhalten, ein Gelände in Peckham zu kaufen, bevor er selbst genügend Geld auftreiben konnte, und es gelang ihm, der Evening Post eine Geschichte unterzujubeln, in der behauptet wurde, dass die Kinder in den angrenzenden Sozialsiedlungen eine mit Fahrradketten und Samurai-Schwertern bewaffnete Gang von Ketamin-Vergewaltigern gebildet hätten. Aber was hatte es dann mit der Tätowierung der Thule-Gesellschaft auf sich?
    »Wonach suchen Sie dann?«, fragte ich.
    »Sie haben von einem jüdischen Boxer namens Seth Roach gehört?«, fragte der Waliser.
    »Gewissermaßen.«
    »Ich suche nach Seth Roachs Grab.«
    »Ich habe keine Ahnung, wo das ist.«
    »Nein.«
    »Heißt das, dass Sie mich umbringen werden?«
    »Im Moment noch nicht. Ich nehme Sie mit. Sie werden mir helfen, es zu finden.«

ACHTES KAPITEL
    Februar 1936
    Das Morgenlicht spähte durch die Fenster der Leichenhalle, bleich und zitternd wie ein morbider kleiner Junge, der lieber ein totes Mädchen sehen würde als ein nacktes. Diese Leichenhalle war nicht wie eine richtige Leichenhalle in einem Bestattungsinstitut mit insektengleichen Instrumenten und Formaldehyd, sie war nur ein kalter Backsteinraum, in dem tote Männer auf mit Rädern versehenen Bahren warteten – und sie hatten nicht einmal eine alte Zeitschrift zum Lesen –, bis sie in einem Wagen zum Krematorium in Hackney gebracht wurden, wohin das St.   Panteleimon’s Hospital seine abreisenden Gäste schickte. Der Körper, der an diesem Morgen auf der Bahre lag, sah nicht wirklich tot aus und roch auch nicht so – zumindest nicht toter als am Abend zuvor, als er noch gesprochen hatte, und das machte Sinner nervös. Er war zwar nicht zart besaitet, aber dennoch gefiel ihm der Gedanke nicht, dass Ollie Renshaw womöglich aufwachen und sein Handgelenk umklammern könnte, während er ihm in die Taschen griff.
    Bevor die Rückenmarksschwindsucht ihn zu verkrümmen begann, hatte Renshaw berufsmäßig Bittbriefe geschrieben. Er zog von Pension zu Pension, ein großer, blinzelnder blonder Mann, der selbst auf die banalste Feststellung einer Tatsache mit einem kleinen höflichen Lachen antwortete und immer seine private Präsenzbibliothek dabeihatte: einen alten Armeebeutel voller Telefonbücher, veralteter Who’s Whos , Jahresberichte von wohltätigen Gesellschaften, Listen von Geistlichen und so fort. Jeder dieser Bände war mit Dutzenden von sorgfältigen Bleistifthaken versehen, die all jene Namen markierten, bei denen er es schon versucht hatte. Ständig wechselte er seine Decknamen, damit ihm die Polizei und der Verband der Wohltätigkeitsorganisationen nicht auf die Schliche kamen, und schrieb dann Briefe, in denen er um Geld bat, um einen Rollstuhl für seine Tochter Ruth kaufen zu können. Für ein paar Pence nahm er allerdings auch Aufträge von anderen Männern an, die in Schwierigkeiten steckten, und schrieb Briefe für sie, gute Briefe.

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