Fliege machen
mir. Ich tauchte unter seinem Arm durch und
platzierte einen schnellen Karatetritt in seiner Familienplanung. Winselnd ging
der Junge zu Boden.
Für einen Sekundenbruchteil war Danner abgelenkt. Im
gleichen Moment blitzte ein Messer im Neonlicht der Bahnhofsbeleuchtung auf.
Ich sah die zuckende Klinge, die glänzenden Ringe an der Faust, Bohnes
blitzartige Bewegung.
»Ben!«, schrie ich schrill.
Jemand grapschte nach meinem rechten Arm. Auf der anderen
Seite schlossen sich kräftige Hände wie Zangen um meine Schulter.
Danner wich gerade noch rechtzeitig vor dem Messer zurück
und packte Bohnes Handgelenk.
Der Junge schrie auf.
Zügig drehte der Detektiv ihm das Messer aus der Hand. In
der gleichen Bewegung schnellte dem Punk der stumpfe Griff der Waffe zusammen
mit Danners Faust ins Gesicht. Der Schlag lieà Bohne verstummen, der Kettenträger
taumelte rückwärts.
Jetzt hatte ich mich ablenken lassen. Mein rechter Ellenbogen
verdrehte sich schmerzhaft und erinnerte mich an meine eigene Lage. Die Fratze
des Irokesen grinste mich schadenfroh an. Mein Arm wurde hochgerissen und ein
heiÃer Schmerz durchzuckte meine Schulter.
Zugleich erwischte der Ziegenbart Danner von hinten,
umklammerte ihn, presste ihm die Arme an den Körper. Danner warf sich zurück,
versuchte, dem Bärtigen seinen Hinterkopf ins Gesicht zu rammen, traf aber nur
dessen Brust.
Ich trat nach dem Irokesen, doch der hatte Verstärkung
von zwei Kumpeln bekommen. Ich spürte Hände an meinen Schultern, meinen Armen,
jemand packte meinen FuÃ, zerrte mein Bein in die Höhe, damit ich nicht noch
einmal zutreten konnte.
Ein irres Grinsen zerrte Bohnes sommersprossiges Jungengesicht
in die Breite. Er machte einen Schritt auf Danner zu und schlug ihm das Messer
aus der Hand.
Die Jugendlichen wichen zur Seite, als die Waffe über das
Pflaster davonschlitterte.
Vor meine FüÃe.
Der Tokio-Hotel-Fan bückte sich danach.
Das war meine Chance!
Doch bevor ich mein Bein befreien konnte, hörte ich einen
dumpfen Aufprall. Ich erstarrte.
Die mit Silberringen besetzte Faust traf Danners Gesicht,
die Haut auf seiner Stirn platzte auf, helles Blut strömte über sein linkes
Auge. Er taumelte zur Seite.
Im gleichen Moment wurde es laut.
Ein dritter Jugendlicher trat Danner von hinten in die
Knie.
Ich schrie.
Danner ging zu Boden, riss die Arme schützend vors Gesicht.
Ein Tritt in die Seite, den Bauch, an den Kopf.
»Das warâs, Leute!«, herrschte Bohne im Durcheinander.
»Weg hier!«
Der Ziegenbart trat noch ein letztes Mal zu. Die Wucht
seines Springerstiefels schleuderte Danner zur Seite.
»Lass, Keule!«, schrie Bohne ihn an. »Weg, bevor die Bullen
da sind!«
Plötzlich waren meine Arme frei, die Hände, die mich
festhielten, verschwunden.
Die Besoffenen schnappten ihre Bierpullen und trollten
sich wie Raubtiere, die ein Geräusch verscheuchte. Sekunden später waren sie
verschwunden.
Danner lag auf der Seite. Im Licht der Laterne, unter der
ein paar Minuten zuvor noch die beiden dicken Mädchen gesessen hatten.
Bewegungslos. Zusammengekrümmt. Ich stand nur ein paar Meter von ihm entfernt
und wagte nicht, ihm näher zu kommen. Mein Gehirn weigerte sich zu begreifen,
was ich sah.
Das hätte nicht passieren dürfen! Nicht Danner! Der war
doch zu clever. Unbesiegbar. Unverwundbar.
Das alles war meine Schuld. Ich hätte das ahnen müssen,
schneller denken müssen. Schneller handeln. Irgendwie â¦
Zumindest jetzt musste ich endlich etwas tun. Helfen.
Die Bilder in meinem Kopf lähmten mich, lieÃen meine
Muskeln verkrampfen. Zeitungsartikel über aggressive Jugendliche, die Menschen
totprügelten. Zum SpaÃ. Oder wegen ein paar Cent. Das passierte. Oft. Auch
heute. Auch hier.
Mühsam versuchte ich, mich zu bewegen, die Schreckstarre
zu lösen. Ich spürte meinen Knie wackeln, als ich den ersten Schritt wagte.
Mein Herzschlag ruckte durch meine Glieder, während ich neben Danner in die
Knie ging. Blut glänzte nass auf den grauen Pflastersteinen.
»Ben?« Meine Stimme klang ängstlich. Piepsig. Fremd.
»Sag, dass du noch lebst, ja?«
Meine Finger tasteten über sein blutverschmiertes Gesicht,
über seinen Hals, wurden klebrig auf der Suche nach seinem Puls.
»Bitte.«
»Ich lebe noch«, ächzte Danner.
Ich blinzelte, weil mein Blick
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