Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliege machen

Fliege machen

Titel: Fliege machen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucie Flebbe
Vom Netzwerk:
bremsen.

    Doch das Glitzern in Danners Augen verriet mir, dass er
meine Herausforderung nicht auf sich sitzen lassen würde.

    Â»Gilt.« Er schlug ein. »Melde dich im Kindergarten krank.
Findest du den Penner, kriegst du ’n Arbeitsvertrag und wir nennen die Detektei Danner und Ziegler . «

    Molle sah verblüfft über seine Brille hinweg.

    Â»Dann besorg schon mal ein neues Türschild«, grinste ich.

    Â 

10.

    Nachdem wir im Polizeipräsidium Anzeige
erstattet und ein schläfriger Beamter in einer nagelneuen blauen Uniform unsere
Aussagen aufgenommen hatte, fuhr Danner zum Kindergarten.

    Ich hingegen meldete mich in der Schlumpfgruppe krank und
schlenderte durch die Innenstadt nach Hause, um die Ermittlungen zu meinem
offiziell ersten eigenen Fall zu beginnen.

    Als ich die Treppe hinauf zu unserer Wohnung stapfte,
streifte mein Blick im Vorbeigehen das unscheinbare, kleine Metallschild neben
der Klingel. Detektei Danner stand da.

    Ich grinste wieder.

    Ich brauchte nur den verschwundenen Obdachlosen aufzutreiben,
dann würde auch mein Name dort stehen. Wäre doch gelacht, wenn ich das nicht
hinkriegte. Diesmal hatte Danner zu hoch gepokert. Erst denken, dann sprechen
wäre klüger gewesen. Ganz sicher hatte hier in den letzten zehn Jahren kein
Frauenname an der Tür gestanden. Seit damals Danners Verlobung geplatzt war,
hatte es keine seiner Drei-Monats-Maries auf sein Türschild geschafft. Im Leben
wollte er es nicht so weit kommen lassen. Aber jetzt kam er aus der Nummer
nicht mehr raus. Wahrscheinlich biss er sich deswegen schon selbst in den
Hintern.

    Ich trat an den Schreibtisch und nahm eine Schere aus der
Schublade.

    Andererseits …

    Einen Augenblick lang hielt ich inne.

    Andererseits tat Danner niemals etwas Unüberlegtes …

    Konnte das …?

    Schwachsinn! Ich hatte ihn überrumpelt, er hatte nicht
aufgepasst und jetzt würde er die Quittung kriegen. Mit der Schere in der Hand
stellte ich mich im Badezimmer vor den Spiegel. Ich kämmte meine Haare mit
einem leicht nach links versetzten Scheitel zur Seite. Mit einer Hand griff ich
die blonden Strähnen links vom Scheitel, mit der anderen die Schere. Ohne zu
zögern, schnitt ich die Haare ab.

    Nachdem ich die gesamte linke Seite grob gekürzt hatte,
schraubte ich den Aufsatz auf Danners Langhaarrasierer, den er nicht nur für
seinen Drei-Tage-Bart, sondern auch für seine Glatze benutzte. Ich stellte das
Gerät auf einen Zentimeter ein und rasierte meine gesamte linke Kopfhälfte raspelkurz.

    Dann wühlte ich die Pappschachtel aus meiner Jacke, die
ich eben auf dem Rückweg vom Präsidium gekauft hatte.

    Als ich eine halbe Stunde später in den Spiegel sah, war
ich zufrieden: Meine Haare – rechts noch immer schulterlang, links kurz rasiert
– leuchteten in grellem Lila.

    Meine Lippen hatte ich ebenfalls lila geschminkt, die Augen
übertrieben schwarz – einschließlich unechter Augenringe, die mich im besten
Fall übermüdet, im schlimmsten Fall drogenabhängig wirken ließen. Ein unechtes
Nasenpiercing vervollständigte das Bild. Ich bezweifelte, dass Danner seine
Detektei noch immer verwetten wollte, wenn ich ihm meine neue Frisur
präsentierte.

    Zufrieden blickte ich auf die Uhr.

    Gleich elf. Mal sehen, ob ich ein paar Straßenkids auftreiben
konnte, um die Wirksamkeit meines neuen Outfits zu testen.

    Â 

11.

    Am Bochumer Hauptbahnhof herrschte
Hochbetrieb.

    Die elektrischen Türen schnurrten auf und zu, winterfest
verpackte Menschen eilten hinein und heraus. Ich sah Daunenjacken, Lederstiefel
mit Absatz, Aktenkoffer, die neben knielangen Mänteln pendelten.

    Ich bin doch nicht
blöd, dröhnte ein weißer Werbeslogan auf einem extralangen, roten
Ziehharmonikabus an mir vorbei. Hinter mir rauschte der Verkehr zweispurig über
den Ostring und die sehbehindertengerechte Ampel fiepte.

    Ich hatte plötzlich das irritierende Gefühl, alles um
mich herum bewegte sich im Zeitraffer, viel schneller als ich. Die Menschen
wussten, wohin sie wollten, alle kannten ihren Weg. Kaum jemand verschwendete
mal einen Blick nach rechts oder links. Ich stand mitten im Gewimmel und schien
doch unsichtbar zu sein.

    Genauso wie die drei Mädchen, die auf der lehnenlosen
Edelstahlsitzbank direkt neben dem Mülleimer vorm Eingang saßen und rauchten.

    Wie ich schienen auch sie sich langsamer zu bewegen als
die Stadt um sie

Weitere Kostenlose Bücher