Fliege machen
Baulöwe und Familienvater berichtete, von der
Exfrau und den drei Söhnen.
Die Psychologin legte dem Mädchen sanft eine Hand auf die
Schulter.
»Du wusstest nichts von all dem?«
Engel schüttelte den Kopf. »Nie.«
»Lass die Vaterschaft auf jeden Fall anerkennen«, riet
Danner beiläufig. »Wenn Fliege wirklich der Papa ist.«
Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass unser
Penner seinem ungeborenen Kind womöglich noch etwas vererbte.
Engel wich Danners Blick aus. Sie wickelte ihre Ãrmel um
die Hände: »Ich â ich weià noch gar nicht, ob ich das Baby wirklich behalte.«
Häh?
Ãber Danners Nasenwurzel entstand eine winzige Falte.
»Wie bitte?«, schnappte ich.
Engel nagte an ihrem Unterlippenpiercing. »Ich muss
drüber nachdenken. Ich kann keinen Schulabschluss machen, keine Ausbildung.
Vielleicht kann ich dem Kind keine Klassenfahrt bezahlen oder
Weihnachtsgeschenke. Andere Kinder werden es viel besser haben und es wird
traurig sein.«
Mein Blick traf den der Psychologin, deren Hand noch
immer auf Engels Schulter ruhte.
Tatsächlich klang es, als hätte die Fünfzehnjährige
endlich begriffen, was es für sie bedeutete, ein Kind zu bekommen. Zum ersten
Mal schien sie wirklich darüber nachgedacht zu haben.
Und trotzdem hörte ich Bärbels klingelnde Sternenkinder-Stimme
aus Engels Mund. Das waren doch nicht Engels Worte, die hatte ihr die Frau des
Krötenretters in den Mund gelegt. Engel hatte sich das Kind doch gewünscht.
Oder war es Engel mithilfe der Psychologin gelungen, die
Tragweite ihrer Schwangerschaft zu überschauen? Waren diese Gedanken längst
überfällig gewesen? War es die einzig richtige Entscheidung, das Kind abzugeben,
damit Engel selbst eine Perspektive blieb? Und Engel hatte es mit Bärbel
zusammen geschafft, das zu akzeptieren?
»Gut«, nickte Danner. »Du kannst uns noch eine Weile
bezahlen, deshalb versuchen wir weiter herauszufinden, was Fliege an dem Abend
passiert ist. Wir halten dich auf dem Laufenden.«
Engel nickte.
»Haben Sie noch einen Augenblick Zeit für uns, Frau
Borze-Filzhut?«, fragte ich schärfer als beabsichtigt.
»Natürlich«, zwitscherte die Frau des Sozialarbeiters glockenhell.
»Lässt du uns noch einen Augenblick allein, Nina?«
Zum Abschied rubbelte sie Engel noch einmal aufmunternd
den Rücken. Das Mädchen schlurfte die Treppe hinunter.
»Sie raten ihr zur Adoption?«, erkundigte ich mich
direkt, kaum dass Engel auÃer Sicht war. Das war, was der Krötenretter selbst
Engel die ganze Zeit hatte einreden wollen.
»Ich rate ihr zu gar nichts«, widersprach mir Bärbel
ruhig. »Ich zeige ihr nur die Konsequenzen ihrer Handlungen auf, damit sie
selbstständig abwägen und die richtige Entscheidung für sich treffen kann.
Jemand muss ihr erklären, welche Chancen sie sich durch das Kind verbaut.«
»Sie selbst haben keine Kinder?«, vermutete Danner.
Bärbels Blick wanderte zum Fenster, kehrte dann aber sofort
zu Danner zurück. »Nein.«
Hm. War das etwa ein wunder Punkt? Lohnte es sich, tiefer
zu bohren?
»Kinder waren nie ein Thema für Sie?«
»Ich wüsste nicht, was das mit Ihren Ermittlungen zum Tod
des Obdachlosen zu tun hat!«, blockte die Psychologin meine Frage verärgert ab.
Ich schien ihr inneres Gleichgewicht gestört zu haben.
»Immerhin handelt es sich bei dem Toten um den Vater von
Ninas Kind«, konterte ich hitzig. »Und bisher stand eine Adoption nie zur
Diskussion. Nina hat sich das Kind gewünscht, die Schwangerschaft war geplant.«
Plötzlich loderte Wut in Bärbels sanften Kinderaugen.
»Na toll! Für ein Auto braucht man einen Führerschein,
aber ein Kind kann jeder obdachlose Teenie bekommen!«
Sie verlor tatsächlich Fassung!
»Nur Sie nicht, nicht wahr?«, erkundigte ich mich rücksichtslos.
Das elfenhafte Gesicht der Therapeutin verzerrte sich zur
Grimasse: »Sie sollten besser still sein, Frau Ziegler. Soweit ich weiÃ, liegt
von Ihnen doch auch eine Vermisstenmeldung vor.«
Ich schluckte. Der Krötenretter hatte gepetzt!
»Frau Ziegler ist volljährig«, kam Danner mir zu Hilfe.
»Wie sie den Kontakt zu ihrer Familie pflegt, ist ihre Sache.«
Doch die Psychologin hatte treffsicher auch meinen wunden
Punkt erkannt. »Auch Sie sollten sich
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