Fliege machen
Absatzschuhe verzichten konnten, weil sie in endlosen
Selbstanalysen ihr Ego genug getrimmt hatten, um sich auch ungeschminkt zu
mögen.
Beneidenswert.
Sie musterte mich genauso abschätzend. »Kommen Sie wegen
einer Therapie?«
Na, vielen Dank, du Hippiebraut! Sah ich so verhaltensgestört
aus, oder was?
Danner grinste. »Privatdetektei Danner, wir haben gestern
Abend telefoniert. Das ist meine Kollegin Lila Ziegler.«
»Ach so, Sie wollen zu Nina«, nickte die Psychologin.
»Kommen Sie herein.«
Sie öffnete die Tür und wir standen in einem weitläufigen
Loft. Riesige Kletterpflanzen rankten sich an zwischen den hohen Fenstern
angebrachten Pflanzengittern in die Höhe. Eine frei stehende Treppe führte
hinauf in die erste Etage, während weiter hinten eine mit gelbem Leder bezogene
Polstergarnitur den Wartebereich zur borze-filzhutschen Psychopraxis bildete.
»Wir haben eine kleine Gästewohnung im hinteren Praxisbereich.«
Doch sie führte uns die im Raum schwebende Treppe hinauf in den eigenen
Wohnbereich. »Ich hole Nina gleich.«
»Kommt es öfter vor, dass Sie Patienten oder Klienten Ihres
Mannes aufnehmen?«, erkundigte ich mich.
»Nein. Aber unter Berücksichtung von Ninas Umständen
haben wir eine Ausnahme gemacht. So habe ich die Gelegenheit, ganz ungezwungen
mit Nina über ihre Situation zu sprechen. Von Frau zu Frau, sozusagen.
Vielleicht fällt es dem Mädchen so leichter, sich zu öffnen.«
Bärbel Borze-Filzhut bemerkte meinen forschenden Blick:
»Sie haben da übrigens eine böse Narbe am Kinn, Frau Ziegler.«
Ups, aufpassen! Sie hatte sich meinen Namen gemerkt und
sie hatte sofort die Narbe entdeckt.
Ich winkte lässig ab: »Alte Kriegsverletzung. Ist schon
verjährt.«
»Kriegsverbrechen verjähren nicht.«
Ich fühlte mich unwohl unter ihrem beobachtenden Blick.
Das Sternenkind verstand sein Handwerk.
Oben deutete die Frau des Krötenretters mit einer Handbewegung
auf ein ebenfalls gelbes Ledersofa, das zusammen mit einem gläsernen Tischchen
gleich neben der Treppe stand.
Die ganze Etage wurde durch verschiedene lang gezogene
Schrankwände unterteilt. Echte Wände gab es nicht. Ich konnte bis zu einem
altmodischen französischen Bett aus Metall sehen, das ganz hinten vor den
Flügeltüren zur Dachterrasse stand.
»Und konnten Sie Nina schon zu einem Gespräch bewegen?«,
erkundigte sich Danner.
Die Psychologin stellte eine gläserne Kaffeekanne und
zwei asymmetrische Tassen vor uns auf den Tisch. »Zumindest scheint sie
einsichtig genug, hierzubleiben, bis Hagen ihr einen Platz im Mutter-Kind-Haus
beschaffen kann. In ihrem Zustand hat sie nichts auf der StraÃe verloren. Aber
das kann Nina Ihnen selbst erzählen. Bedienen Sie sich, ich sage ihr Bescheid,
dass Sie da sind.«
Bärbel schwebte die Treppe wieder hinunter.
Danner und ich tauschten einen Blick.
»Klingt vernünftig«, zuckte Danner die Schultern und
griff nach der Kaffeekanne.
Gut, wie eine Kidnapperin wirkte die Frau wirklich nicht.
Konnten unsympathische Menschen nicht auch nett sein? Ich nippte an meinem
Kaffee, als Blumenkind-Bärbel lautlos zurückkehrte.
Engel folgte ihr. Ihr schwarz-rotes Haar fiel ihr gewaschen
und gekämmt über die Schultern. Sie trug einen weiten schwarzen Flauschpulli,
der nagelneu aussah â und roch. Ihre Schwangerschaft fiel darin kaum auf und
auch ihr Gesicht wirkte schmaler und ernster als sonst.
»Hi.« Das Mädchen setzte sich auf den einzelnen gelben
Sessel. Bärbel rückte sich selbst einen Stuhl heran.
»Du bist ja doch hier«, platzte ich heraus. »Alles in Ordnung?«
Engel sah kurz zu Bärbel auf und zupfte den langen, weichen
Pulli über ihre Hände. »Hagen hat die Bullen überzeugt, dass ich nicht flüchten
würde, da haben die mich gestern Nachmittag entlassen. Ich wusste nicht, wo ich
hinsollte, und bin dann mit Hagen mit. Ist gar nicht so übel hier.«
Bärbel lächelte mütterlich.
»Jetzt versucht er, mir einen Platz im Mutter-Kind-Haus
zu besorgen. So lange kann ich bleiben. Habt ihr was rausgefunden?«
»Das Geld ist da«, begann Danner einen knappen Bericht.
»Edgars Nachname lautet Guski und dein Kind wird Geschwister haben.«
Engels Augen wurden vor Staunen immer gröÃer, als Danner
ihr von Flieges erstem Leben als
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