Fliegende Fetzen
könnten sie das wagen? Immerhin entsprechen unsere Maßnahmen dem Willen der wichtigsten Würdenträger dieser Stadt.« Er nahm einen Zettel von Drumknott entgegen. »Nun, ganz oben auf der Liste…«
Lord Selachii hüstelte. »Für solchen Unsinn ist es jetzt viel zu spät«, sagte er rasch.
»Wasser, das den Bach hinuntergeflossen ist«, sagte Lord Witwenmacher.
»Tot und begraben«, fügte Herr Schräg hinzu.
»Ich habe meine Steuern bezahlt«, betonte Mumm.
»Laßt mich rekapitulieren«, sagte Vetinari. »Ich schätze, niemand möchte, daß sich zwei erwachsene Nationen um einen Steinhaufen streiten. Wir wollen nicht kämpfen, aber…«
»Aber so wahr ich hier sitze: Wir zeigen’s ihnen, wenn wir zum Kampf gezwungen werden!« platzte es aus Lord Selachii heraus.
»Wir haben keine Schiffe. Wir haben keine Krieger. Und wir haben auch kein Geld«, sagte Vetinari. »Allerdings steht uns die Kunst der Diplomatie offen. Es ist erstaunlich, was man mit den richtigen Worten erreichen kann.«
»Leider stoßen die richtigen Worte auf weitaus mehr Aufmerksamkeit, wenn man einen spitzen Stock in der Hand hält«, meinte Lord Witwenmacher.
Lord Selachii klopfte erneut auf den Tisch. »Es hat doch keinen Sinn, mit den verdammten Klatschianern zu
reden
! Meine Herren… Unsere Aufgabe besteht darin, wieder Regimenter zu bilden!«
»Ach, sprichst du da von
privaten
Streitkräften?« fragte Mumm. »Unter dem Kommando von jemandem, dessen Führungsqualitäten sich darauf beschränken, den Sold für tausend Helme bezahlen zu können?«
An der Mitte des Tisches beugte sich jemand vor, der bis dahin den Eindruck erweckt hatte, friedlich zu schlummern. Als Lord Rust sprach, klang seine Stimme wie ein Gähnen.
»Wir sprechen von Führungsqualitäten, die sich während einer tausendjährigen Familiengeschichte angesammelt haben, Herr Mumm«, verkündete er.
Das
Herr
prickelte in Mumms Brust. Er wußte, daß er ein »Herr Mumm« war, ein gewöhnlicher Bürger, wie er gewöhnlicher kaum sein konnte. Doch er bestand darauf, für jemanden, der »Jahre« wie »Hjahre« aussprach,
Sir Samuel
zu sein.
»Oh, Familiengeschichte«, sagte er. »Nein, da muß ich passen. Wenn man das braucht, um die eigenen Leute mit Inkompetenz und Unfähigkeit in den Tod zu schicken…«
»Meine Herren, bitte.« Der Patrizier schüttelte den Kopf. »Wir wollen uns nicht streiten. Immerhin ist dies ein Kriegsrat. Was die Bildung neuer Regimenter betrifft… Nun, das ist natürlich euer gutes Recht. Die Entsendung von Bewaffneten in Zeiten der Not gehört zu den Pflichten ehrenwerter Bürger. Die Geschichte ist auf eurer Seite. Es gibt eindeutige Präzedenzfälle, die ich akzeptieren muß. Laßt mich nur noch einmal darauf hinweisen, daß sich die Stadt keine Streitmacht leisten kann.«
»Diese Leute sollen wirklich mit den Säbeln rasseln dürfen?« brachte Mumm ungläubig hervor.
»Ach, Kommandeur Mumm«, sagte Burlich und lächelte. »Als Soldat müßtest du eigentlich…«
Manchmal erregen Leute Aufmerksamkeit, indem sie schreien. Oder sie schlagen mit der Faust auf den Tisch oder rammen sie jemandem ins Gesicht. Mumm erzielte die gleiche Wirkung, indem er zu absoluter Passivität erstarrte. Kälte ging von ihm aus. Die Falten in seinem Gesicht wirkten wie in Marmor gemeißelt.
»Ich bin kein Soldat.«
Und dann machte Burlich den Fehler, entwaffnend zu lächeln.
»Nun, Kommandeur, der Helm und die Rüstung und so… Es läuft doch aufs gleiche hinaus, oder?«
»Nein.«
»Meine Herren…« Lord Vetinari legte die Hände flach auf den Tisch, sicheres Zeichen dafür, daß die Besprechung zu Ende war. »Morgen werde ich diese Angelegenheit mit Prinz Khufurah erörtern…«
»Ich habe Gutes über ihn gehört«, sagte Lord Rust. »Streng, aber gerecht. Man kann nur bewundern, was er in einigen fernen Regionen des Reiches auf die Beine stellt. Er…«
»Nein«, unterbrach Vetinari den Lord. »Du meinst Prinz Cadram. Khufurah ist sein jüngerer Bruder. Er trifft morgen ein, als Gesandter seines Bruders.«
»Ach, jetzt erinnere ich mich. Der Kerl ist ein Lümmel, Betrüger und Lügner! Es heißt, daß er sich bestech…«
»Herzlichen Dank für deine diplomatischen Informationen, Lord Rust«, sagte der Patrizier. »Wir müssen die Tatsachen so akzeptieren, wie sie sich uns darbieten. Es eröffnen sich immer Möglichkeiten. Unsere beiden Nationen teilen viele Interessen. Außerdem deutet alles darauf hin, daß Cadram diese Sache sehr ernst
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