Fliegende Fetzen
brauchst. Dann ist er zufrieden. Es hilft dir sicher, wenn du betonst, ich hätte dich gezwungen.«
»Oh, das werde ich. Ich meine, ich werde… zu dieser Lüge greifen«, fügte der Kapitän rasch hinzu.
Ahmed nickte, glitt an einem Seil hinab ins Boot und brach damit auf.
Der Kapitän und seine Mannschaft beobachteten, wie er durch die Brandung ruderte.
Dies war kein hübscher, ruhiger Strand, sondern ein Küstenabschnitt, der Schiffen immer wieder zum Verhängnis wurde. Alte Wrackteile lagen zwischen den Felsen. Knochen, Treibholz und von der heißen Sonne gebleichter Tang hatten sich an der Flutlinie angesammelt. Jenseits davon erhoben sich die Dünen der Wüste. Selbst hier, noch auf dem Meer, bekam man den Sand zu spüren. Er brannte in den Augen und knirschte zwischen den Zähnen.
»An diesem Ufer droht jäher Tod«, sagte der Erste Maat. Er sah über die Reling und blinzelte immer wieder, als ihm Sand in die Augen geriet.
»Ja«, bestätigte der Kapitän. »Er hat das Boot gerade verlassen.«
Die Gestalt am Ufer zog eine zweite, liegende Gestalt aus dem Boot und brachte sie aus der Reichweite der Wellen.
Der Maat hob seinen Bogen.
»Ich möchte ihn von hier aus töten, Herr. Du brauchst mir nur den Befehl zu geben.«
»Wie sicher bist du dir? Du solltest besser
völlig
sicher sein. Wenn du ihn verfehlst, bist du tot. Und wenn du ihn triffst, bist du ebenfalls tot. Sieh nur dort oben.«
Hoch oben auf den fernen Dünen zeichneten sich Reiter dunkel vor dem mit Sand gefüllten Himmel ab. Der Maat ließ den Bogen sinken.
»Woher wußten sie, daß wir hier sind?«
»Oh, sie beobachten das Meer«, sagte der Kapitän. »Über ein gutes Schiffswrack freuen sich D’regs genauso wie andere Leute. Vielleicht sogar noch mehr.«
Als sie sich von der Reling abwandten, sprang etwas vom Rumpf und verschwand fast lautlos im Wasser.
Detritus versuchte, im Schatten zu bleiben, aber davon gab es nicht viel. Die Wüste vor ihnen strahlte Hitze aus wie eine Lötlampe.
»Ich immer dümmer werden«, klagte er.
Der Ausguck rief etwas.
»Er meint, jemand klettert die Dünen hoch«, sagte Karotte. »Jemand, der jemand anders trägt.«
»Äh… eine Frau?«
»Ich kenne Angua, Herr Kommandeur. Sie gehört nicht zum hilflosen Typ. Sie steht nicht einfach da und schreit. Andere Leute verhalten sich ihr gegenüber so.«
»Nun, wie du meinst…« Mumm wandte sich an Jenkins. »Wir geben die Verfolgung des anderen Schiffes auf. Statt dessen setzen wir die Fahrt in Richtung Küste fort.«
»Das gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist eine verdammt gefährliche Küste: Dort hat man den Wind immer gegen sich und außerdem einige scheußliche Strömungen. So mancher unvorsichtige Seefahrer hat seine Knochen an diesem Ufer zurückgelassen. Nein, wir bleiben in sicherer Entfernung, und du kannst das Ruderboot… Ich meine, du könntest das Ruderboot benutzen, wenn wir es nicht über Bord geworfen hätten. Na schön, wir gehen vor Anker und… Oh, Verzeihung, der Anker gehörte ja zu den schweren Gegenständen, die wir…«
»Wir fahren…, äh… schwimmen weiter«, sagte Mumm. »Zur Küste.«
»Bestimmt kommen wir alle ums Leben.«
»Ich schlage vor, du wählst das geringere von zwei Übeln.«
»Worin besteht das andere?«
Mumm zog sein Schwert.
»Aus mir.«
Das Boot quietschte durch die geheimnisvollen Tiefen des Meeres. Leonard verbrachte viel Zeit damit, aus den kleinen Fenstern zu blicken. Sein besonderes Interesse galt Tangstreifen, die nach Feldwebel Colons Meinung wie ganz gewöhnliche Tangstreifen aussahen.
»Sieh nur diese prächtigen Exemplare von Dropliehs Etioliertem Blasentang«, sagte Leonard. »Damit meine ich die braunen Dinger. Ein höchst interessantes Gewächs, das uns unter den gegebenen Umständen einen wichtigen Hinweis liefert.«
»Ich schlage vor, wir gehen einmal davon aus, daß ich in den vergangenen Jahren meine Studien der maritimen Pflanzen ein wenig vernachlässigt habe«, erwiderte der Patrizier.
»Ach, tatsächlich? Da hast du eine Menge versäumt. Normalerweise wächst der Etiolierte Blasentang nicht oberhalb einer Tiefe von mindestens dreißig Faden, und derzeit befinden wir uns nur zehn Faden unterhalb der Wasseroberfläche.«
»Ah.« Der Patrizier blätterte in einigen von Leonards Zeichnungen. »Und die Hieroglyphen – ein Alphabet aus Zeichen und Farben. Farben als Sprache… eine faszinierende Idee.«
»Sie dienen gewissermaßen als emotionale Verstärker«,
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