Fliegende Fetzen
letzten Melone. Es waren Leute von der Straße. Sie kannten sich mit solchen Dingen aus. Wenn ein Objekt unter einem von drei Objekten liegen konnte, und wenn sich bereits herausgestellt hatte, daß es nicht unter den ersten beiden Gegenständen lag… dann auch bestimmt nicht unter dem dritten. Nur leichtgläubige Narren gingen von dieser Annahme aus.
Natürlich
gab es bei dieser Sache einen Trick. Es gab
immer
einen Trick. Trotzdem sahen alle genau hin, um einen guten Trick zu beobachten.
Lord Vetinari hob die dritte Melonenschale, und das Publikum nickte zufrieden. Das Ei war nicht dort, wie erwartet. Es wäre ein ziemlich jämmerlicher Tag für die Straßenunterhaltung gewesen, wenn sich die Dinge plötzlich dort befanden, wo man sie vermutete.
Feldwebel Colon wußte, was jetzt passieren würde. Er wußte es deshalb, weil seit etwa einer Minute etwas gegen seinen Kopf pickte.
Er hielt den richtigen Augenblick für gekommen und hob seinen Fes, unter dem ein kleines und sehr flauschiges Huhn hockte.
»Wenn mir jemand einen Lappen geben könnte… Ich fürchte, das Tier hat meinen Kopf als Toilette benutzt.«
Gelächter erklang, hier und dort auch Applaus und – zu Colons Erstaunen – das Klirren von Münzen zu seinen Füßen.
»Und jetzt zeigt uns die schöne Beti einen exotischen Tanz«, sagte der Patrizier.
Plötzlich herrschte Stille unter den Zuschauern.
Jemand weiter hinten fragte: »Wieviel müssen wir bezahlen, damit sie nicht tanzt?«
»Oh, jetzt reicht’s mir!« Mit wehendem Schleier, klimpernden Armreifen, spitzen Ellenbogen und Stiefeln, die Funken stieben ließen, trat die schöne Beti ins Publikum. »Wer hat das gesagt?«
Die Leute wichen vor ihr zurück. Ganze
Heere
hätten sich zurückgezogen. Und dort, wie ein Qualle, die das abfließende Wasser auf dem Land vergessen hatte, stand ein kleiner Mann, der nun im heißen Zorn des vor ihm aufragenden Nobby briet.
»Ich wollte dich nicht beleidigen, o rehäugige Schönheit…«
»Ach? Du glaubst also, ich hätte ein haariges Gesicht?« Dutzende von Armreifen schepperten, als Nobby den Arm ausstreckte und den Mann zu Boden stieß. »Du mußt noch viel über Frauen lernen, junger Mann!« Und da Nobby nie der Versuchung widerstehen konnte, einem vor ihm liegenden Opfer den Rest zu geben, hob er den eisenbeschlagenen Stiefel und…
»Beti!« sagte der Patrizier scharf.
»Oh, na schön,
na schön
«, brummte Nobby mit verhüllter Verachtung. »Jeder kann mir sagen, was ich tun und lassen soll. Nur weil ich zufälligerweise eine Frau bin, muß ich mich damit abfinden.«
»Nein, du sollst ihm nur nicht in die Weichteile treten«, flüsterte Colon und zog den Korporal von dem Mann weg. »Das gehört sich nicht.« Er bemerkte, daß einige Frauen im Publikum enttäuscht zu sein schienen, weil die Vorstellung an einer besonders interessanten Stelle endete.
»Und es gibt viele sonderbare Geschichten, die wir euch erzählen können!« rief der Patrizier.
»Beti wäre dazu bestimmt in der Lage«, murmelte Colon und erntete dafür einen Tritt gegen sein Schienbein.
»Und wir können euch die ungewöhnlichsten Dinge zeigen!«
»Beti wäre dazu be… Aargh!«
»Doch jetzt ziehen wir uns in den Schatten der dortigen Karawanserei zurück…«
»Was machen wir?«
»Wir besuchen eine Taverne.«
Die Zuschauer gingen auseinander. Einige von ihnen sahen dem Trio amüsiert nach.
Einer der Wächter nickte Colon zu. »Gute Vorstellung«, sagte er. »Besonders die Stelle, an der die Dame darauf verzichtet hat, ihren Schleier zu heben…« Er ging hinter seinem Kollegen in Deckung, als Nobby wie ein Racheengel herumwirbelte.
»Feldwebel«, raunte der Patrizier. »Es ist sehr wichtig, daß wir den gegenwärtigen Aufenthaltsort von Prinz Cadram in Erfahrung bringen, verstehst du? In Tavernen reden die Leute. Halten wir die Ohren offen.«
Die »Karawanserei« entsprach nicht Colons Vorstellung von einer Taverne. Der größte Teil von ihr trug kein Dach. Mit Rundbögen ausgestattete Wände umgaben einen Innenhof. Ein Weinstock wuchs aus einer großen, geborstenen Urne und hatte sich oben an einem Spalier ausgebreitet. Wasser plätscherte leise, und dieses Geräusch stammte nicht vom Abort, wie bei der
Geflickten Trommel
in Ankh-Morpork, sondern kam aus einem kleinen Springbrunnen in der Mitte. Es war angenehm kühl, viel kühler als auf der Straße, obwohl die Blätter der Reben kein lückenloses Dach bildeten.
»Ich wußte gar nicht, daß du jonglieren
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