Fliegende Fetzen
die Konflikte auf einer persönlichen Basis. Die
meiste Zeit zankten die Leute einfach nur. Das erzeugte Ärger genug,
aber es war weitaus besser als ein Schwert in der Leber.
Die Alten hatten von großen Pfützen aus Blut und umherfliegenden
Gliedmaßen erzählt, doch einen ganz besonderen Eindruck auf den jun-
gen Mumm hatte ein Hinweis am Schluß der Erlebnisberichte gemacht:
»Und wenn man mit dem Fuß an etwas hängenblieb, so sah man besser
nicht hin, wenn man die letzte Mahlzeit im Magen behalten wol te.« Die-
sen Worten hatten sie keine Erklärung hinzugefügt. Die beiden anderen
Alten schienen genau zu wissen, was damit gemeint war. Doch nichts
konnte schlimmer sein als die Erklärungen, die sich Mumm selbst aus-
malte. Er erinnerte sich an noch etwas. Die Alten, die den größten Teil
des Tages damit verbrachten, auf einer Bank in der Sonne zu sitzen, hat-
ten zusammen fünf Arme, fünf Augen, viereinhalb Beine und zweidrei-
viertel Gesichter. Hinzu kamen siebzehn Ohren – der Irre Winston zeig-
te seine Sammlung gern einem braven Jungen, der angemessen furchter-
füllt wirkte.
»Er wil einen Krieg führen…« Mumm mußte den Mund öffnen, sonst
wäre in seinem Kopf nicht genug Platz für eine derart absurde Vorstel-
lung gewesen. Der Prinz, den al e für ehrlich, ehrenwert und gut hielten,
wollte einen Krieg.
»Oh, natürlich«, sagte Ahmed. »Nichts eint ein Volk besser als ein hüb-
scher kleiner Krieg.«
Wie sol te man gegen jemanden vorgehen, der auf diese Weise dachte?
fragte sich Mumm. Wenn es um einen gewöhnlichen Mörder ging…
dann gab es mehrere Möglichkeiten. Mit einem gewöhnlichen Mörder
konnte man mit gewöhnlichen Mitteln fertig werden. Es gab Verbrecher,
und es gab Polizisten; zwischen ihnen bestand ein sonderbares Gleich-
gewicht. Aber ein Mann, der sich hinsetzte und beschloß, einen Krieg zu beginnen… Bei den sieben Höl en, womit sol te man ihn ausgleichen?
Dazu brauchte man einen Polizisten von der Größe eines Landes.
Den Soldaten konnte man nichts vorwerfen. Sie warteten nur darauf,
daß man ihnen die Richtung zeigte.
Etwas klackte an eine der umgestürzten Säulen. Mumm blickte nach
unten und zog den Schlagstock aus der Tasche. Er glänzte im Mond-
schein.
Was nützte so ein Ding? Es zeigte nur, daß es ihm erlaubt war, kleine
Verbrecher zu jagen, die kleine Verbrechen begingen. Damit konnte er
nichts gegen Verbrecher unternehmen, die so groß waren, daß man sie
überhaupt nicht sah. Man lebte in ihnen. Bleib bei den kleinen Verbrechen, Sam Mumm. Das ist sicherer.
»ALSO GUT, JUNGS! SPIESST SIE AUF UND HAUT SIE IN
STÜCKE!«
Gestalten sprangen über die geborstenen Säulen.
Es surrte leise, als Ahmed sein Schwert aus der Scheide zog.
Mumm sah, wie sich ihm eine Hel ebarde näherte – eine Hel ebarde
aus Ankh-Morpork! –, und er reagierte mit den Reflexen, die ihn die
Straßen der Stadt gelehrt hatten. Er verlor keine Zeit, über jemanden zu
lachen, der dumm genug war, eine Pike gegen einen Fußsoldaten zu ver-
wenden. Statt dessen wich er der Klinge aus, griff nach dem Schaft und
zog so fest daran, daß der Hel ebardier nach vorn stolperte, seinem er-
hobenen Stiefel entgegen.
Eine halbe Sekunde später sprang Mumm zur Seite und versuchte, sein
Schwert unter dem Umhang hervorzuziehen. Er wich einer weiteren
Klinge aus und stieß mit dem Ellenbogen an etwas, das hart genug war,
um Schmerz zu verursachen.
Als er den Kopf drehte, sah er ins Gesicht eines Mannes, der sein
Schwert erhoben hatte…
Ein seidenes Geräusch erklang…
Der Mann taumelte zurück, und sein Gesicht zeigte Überraschung, als
der Schädel herunterfiel.
Mumm riß sich den Turban vom Kopf.
»Ich bin aus Ankh-Morpork, ihr verdammten Idioten!«
Eine große Gestalt ragte vor ihm auf, mit einem Schwert in jeder
Hand.
»ICH SCHNEIDE DIR DIE WEICHTEILE AB, DU
SCHMIERIGER… Oh, bist du das, Sir Samuel?«
»Wie bitte? Willikins?«
»Ja, ich bin es wirklich, Herr.« Der Diener straffte seine Gestalt.
» Willikins ?«
»Bitte entschuldige mich einen Augenblick, Herr – HÖRT AUF, IHR
DREIMAL VERFLUCHTEN HURENSÖHNE – ich wußte nicht, daß
du hier bist, Herr!«
»Dieser hier wehrt sich, Feldwebel!«
Ahmed stand mit dem Rücken an einer Säule. Ein Mann lag bereits vor
ihm auf dem Boden, und drei weitere versuchten, näher an den Wali
heranzukommen und dabei gleichzeitig eine sichere Distanz zu der sur-
renden Barriere seines hin und
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