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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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konnte er Mumms Gesichtsausdruck erkennen. »Du hältst
    mich für einen gebildeten Barbaren, nicht wahr?«
    »Nun, ich hätte mich damit begnügt, Schneetreiben Schuppert aus
    Ankh-Morpork zu verjagen.«
    »Tatsächlich? Sieh dich um, Sir Samuel. Dein… Revier… ist eine Stadt,
    die man in einer halben Stunde zu Fuß durchqueren kann. Meins besteht
    aus zwei Mil ionen Quadratmeilen Wüste und Bergen. Meine Gefährten
    sind ein Schwert und ein Kamel, und ehrlich gesagt: Als Gesprächspart-
    ner lassen beide zu wünschen übrig. In den Ortschaften gibt es natürlich
    Wächter, sozusagen. Sie denken in einfachen, unkomplizierten Bahnen.
    Meine Aufgabe besteht darin, Banditen und Mördern in Regionen nach-
    zustel en, wo mich fünfhundert Meilen von Hilfe trennen. Deshalb brau-
    che ich die Furcht als Verbündete. Und ich muß sofort zuschlagen, weil
    ich keine zweite Chance bekomme. Ich halte mich für einen ehrlichen
    Mann, zumindest in gewisser Weise. In Ankh-Morpork habe ich sieben
    Jahre in einer Privatschule überlebt, und während dieser Zeit wurde ich
    von den Söhnen der feinen Leute immer herablassend behandelt. Ich
    versichere dir: Im Vergleich damit hat das Leben bei den D’regs über-
    haupt keinen Schrecken. Ich sorge für Gerechtigkeit, schnel und gründ-
    lich.«
    »Ich habe gehört, wodurch du deinen Namen bekommen hast…«
    Ahmed zuckte mit den Schultern. »Der Mann hatte das Wasser vergif-
    tet. Dadurch starben fünf Männer, sieben Frauen, dreizehn Kinder und
    einunddreißig Kamele. Und einige der Kamele waren sehr wertvol ,
    möchte ich betonen. Ich bekam eindeutige Hinweise von dem Mann, der
    ihm das Gift verkauft hatte, außerdem von einem vertrauenswürdigen
    Zeugen, der ihn in der fraglichen Nacht beim Brunnen gesehen hatte.
    Warum hätte ich unter solchen Umständen noch eine weitere Stunde
    warten sollen?«
    »Gelegentlich findet bei uns etwas statt, das wir Gerichtsverfahren
    nennen«, sagte Mumm munter.
    »Ja. Dabei entscheidet euer Lord Vetinari. Aber mitten im Nichts bin
    ich das Gesetz.« Ahmed winkte mit einer Hand. »Oh, der Mann hätte
    bestimmt mildernde Umstände vorgebracht, eine unglückliche Kindheit
    oder ein besonderes Leiden namens Krankhafter-Drang-Brunnen-zu-
    vergiften. Nun, ich habe den krankhaften Drang, feige Mörder zu köp-
    fen.«
    Mumm gab auf. Er konnte Ahmeds Standpunkt verstehen. Sogar sehr
    gut.
    »Ich schätze, unterschiedliche Kulturen erfordern unterschiedliche
    Maßnahmen«, sagte er.
    »Nach meinen Erfahrungen sind diese Maßnahmen besonders dann er-
    folgreich, wenn man dabei scharfen Stahl einsetzt«, erwiderte Ahmed.
    »Verzieh nicht gleich das Gesicht, es war nur ein Scherz. Ich wußte von
    den Plänen des Prinzen, und ich dachte: Das ist nicht richtig. Wenn er
    irgendeinen Lord aus Ankh-Morpork umgebracht hätte, so wäre das al es
    nur Politik gewesen. Aber dies… Und ich dachte: Warum verfolge ich
    Verbrecher in den Bergen, wenn ich selbst Teil eines großen Verbre-
    chens bin? Der Prinz will ganz Klatsch vereinen. Ich persönlich mag die
    vielen kleinen Stämme und Länder, selbst ihre kleinen Kriege. Ich finde
    es auch nicht weiter schlimm, wenn sie gegen Ankh-Morpork kämpfen,
    weil sie das wollen, weil sie eure gräßlichen Angewohnheiten nicht aus-
    stehen können oder weil sie genug haben von eurer gedankenlosen Ar-
    roganz. Doch eine Lüge sol te nicht der Grund dafür sein.«
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Mumm.
    »Aber was kann ich allein ausrichten? Soll ich vielleicht den Prinzen
    verhaften? Ich bin sein Polizist, so wie du der Vetinaris bist.«
    »Nein. Ich gehorche nicht Vetinari, sondern dem Gesetz.«
    »Ich meine nur, es sollte selbst für Könige Polizisten geben.«
    Mumm sah nachdenklich über die vom Mondschein erhel te Wüste.
    Irgendwo dort draußen stand das Heer von Ankh-Morpork, wenn man
    es überhaupt als »Heer« bezeichnen durfte. Und irgendwo dort draußen
    wartete die klatschianische Streitmacht. Tausende von Männern, die viel-
    leicht Freunde geworden wären, würden bald übereinander herfal en und
    sich gegenseitig umbringen. Und nach dem ersten Waffengang gab es
    Gründe genug, weitere folgen zu lassen.
    Mumm erinnerte sich daran, daß er als Kind gehört hatte, wie drei Alte
    über den Krieg sprachen. Er kannte den Krieg nicht aus eigener Erfah-
    rung. Zu seinen Lebzeiten versuchten die Stadtstaaten der Sto-Ebene
    nur, sich gegenseitig in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben, oder die
    Assassinengilde löste

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