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Fliegende Fetzen

Fliegende Fetzen

Titel: Fliegende Fetzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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und er erwähnte ›verzweifelte Maß-
    nahmen‹. Was kann er damit wohl gemeint haben?«
    »Keine Ahnung«, sagte Angua.
    »In dem Laden gibt es die erstaunlichsten Sachen. Falsches Haar, fal-
    sche Nasen, falsche Bärte, sogar falsche…« Er zögerte und errötete. »So-
    gar falsche… äh… Brüste. Für Frauen. Kann mir beim besten Willen
    nicht vorstel en, warum Frauen den Wunsch verspüren sol ten, sich da-
    mit zu verkleiden.«
    Vermutlich kann er das wirklich nicht, dachte Angua. Sie nahm das
    kleine Buch von Karotte entgegen und blätterte darin.
    »Solche Verkleidungen sind für eine Kartoffel bestimmt, Karotte.«
    »Tatsächlich?«
    »Ja. Sieh dir nur diese Bilder an.«
    »Ich dachte, die sol en nur den Text ein wenig auflockern.«
    »Und hier steht’s: ›Herr Kartoffel‹.«
    Verwirrung kroch in das Gesicht über dem großen schwarzen
    Schnurrbart. »Warum sollte sich eine Kartoffel verkleiden wollen?« fragte
    Karotte.
    Sie erreichten eine kleine Gasse neben der Universität. Über Jahrhun-
    derte hinweg war sie inoffiziell als »Gelehrteneingang« bekannt gewesen,
    und inzwischen hing ein entsprechendes Namensschild am einen Ende.
    Zwei Universitätsstudenten kamen Karotte und Angua entgegen.
    Traditionel wußten nur die Studenten vom inoffiziel en Eingang der
    Universität. Allerdings vergaßen die meisten von ihnen, daß die älteren
    Angehörigen der Fakultät ebenfal s einmal Studenten gewesen waren und
    nach dem offiziellen Torschluß ebenfal s nicht auf Ausflüge in die Stadt
    verzichten wol ten. Dieser Umstand führte an dunklen Abenden zu einer
    gewissen Quantität an Verlegenheit und Diplomatie.
    Karotte und Angua warteten geduldig, als einige weitere Studenten
    über die Mauer kletterten, gefolgt vom Dekan.
    »Guten Abend«, grüßte Karotte höflich.
    »Guten Abend, Kartoffel«, sagte der Dekan und wankte weiter.
    »Na bitte.«
    »Aber er hat mich nicht Karotte genannt«, sagte Karotte. »Das Prinzip
    ist soweit in Ordnung.«
    Sie sprangen auf den Rasen der Akademie hinab und gingen in Rich-
    tung Bibliothek.
    »Sie ist bestimmt geschlossen«, sagte Angua.
    »Denk daran, daß sich einer unserer Leute in der Bibliothek befindet«,
    sagte Karotte und klopfte an.
    Die Tür öffnete sich einen Spalt. »Ugh?«
    Karotte hob seinen gräßlichen braunen Hut.
    »Guten Abend, Herr Bibliothekar. Dürfen wir hereinkommen? Es
    handelt sich um eine Angelegenheit der Wache.«
    »Ugh iiek ugh?«
    »Äh…«
    »Was hat er gesagt?« fragte Angua.
    »Wenn du’s unbedingt wissen wil st: ›Meine Güte, eine wandelnde Kar-
    toffel!‹«, antwortete Karotte.
    Der Bibliothekar wandte sich Angua zu und rümpfte die Nase – der
    Werwolfgeruch gefiel ihm nicht sonderlich. Trotzdem winkte er sie beide
    herein und ließ sie dann warten, als er zum Schreibtisch watschelte, wo-
    bei er sich immer wieder mit den Fingerknöcheln abstützte. Er zog eine
    Schublade auf, entnahm ihr eine Dienstmarke, die an einem Bindfaden
    baumelte, und hängte sich das Ding dorthin, wo man normalerweise den
    Hals vermutete. Dann versuchte er, Haltung anzunehmen, wobei sich die
    Anatomie eines Orang-Utans als erhebliches Problem erwies. Die zentra-
    len Bereiche des Affenkörpers wußten, worum es ging, aber die periphe-
    ren Regionen reagierten eher träge.
    »Ugh ugh!«
    »Ich schätze, das hieß ›Wie kann ich zu Diensten sein, Hauptmann
    Kartoffel?‹«, spekulierte Angua.
    »Wir möchten uns im fünften Stock umsehen, und zwar dort, von wo
    aus man über den Platz blicken kann«, sagte Karotte mit etwas kühlerer
    Stimme als sonst.
    »Ugh uugh – ugh.«
    »Er meint, dort gibt es nur alte Lagerräume«, übersetzte Karotte.
    »Und das letzte ›ugh‹?« fragte Angua.
    »›Herr Schrecklichhut‹«, sagte Karotte.
    »Er hat noch immer nicht herausgefunden, wer du bist«, meinte Angua.
    In den muffigen Zimmern des fünften Stocks roch es auf traurige Wei-
    se nach alten, unerwünschten Büchern. Sie standen nicht in Regalen,
    sondern lagen zusammengebunden in breiten Gestel en. Sie wirkten
    recht mitgenommen, und vielen von ihnen fehlte der Einband. Die Reste
    deuteten darauf hin, daß es sich um Lehrbücher handelte, mit denen
    nicht einmal der leidenschaftlichste Bibliophile etwas anzufangen wußte.
    Karotte griff nach einer halb zerrissenen Ausgabe von Wuddels Okkul-
    te Fibel. Einige lose Seiten fielen heraus. Angua hob sie auf.
    »›Kapitel fünfzehn, elementare Nekromantie‹«, las sie laut. »›Lektion
    Eins: Der

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