Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
sagt Daniel. „Bis zu fünfundzwanzig Prozent aller Jugendlichen machen mal eine homosexuelle Phase durch.“
„Fühlt es sich denn an wie eine Phase?“
„Ich habe keine Ahnung. Es fühlt sich ja nicht mal an wie mein eigenes Leben.“
„Dann lass es auf dich zukommen“, schlägt Lilli vor. „Es ist ja nicht so, als müsstest du dich heute für etwas entscheiden. Hast du mal mit Mick darüber gesprochen?“
„Worüber?“
„Über Jungs, die Jungs küssen“, sagt sie mit einem Anflug von Ungeduld.
„Was? Nein! Ich kann doch nicht … wir haben überhaupt … eher wenig geredet.“
„Verstehe“, sagt sie und grinst.
„Hattest du jemals eine homosexuelle Phase?“
„Davon hätte ich dir doch wohl erzählt, oder?“
„Hm. Vermutlich.“
„Ich hatte keine. Ich fahre mit Männern ziemlich gut.“
„Jetzt ist alles anders, oder? Ich meine … wenn man schwul ist. Ist alles anders.“
Lilli streicht sich eine dunkle Haarsträhne aus der Stirn.
„Wieso? Du bist verliebt und er ruft nicht an. Das passiert in diesem Augenblick vermutlich Millionen Mal auf diesem Planeten. Klingt perfekt normal für mich.“
„Soll ich ihn anrufen?“
„Du meine Güte. Die große Frage. Du weißt, dass es jede Menge Hollywoodfilme gibt, die davon handeln?“
„Die helfen mir aber nicht weiter.“
„Ist auch egal. Alles, was ich dir klarmachen wollte, ist, dass eben nicht alles anders ist. Du gehst zur Schule, du gehst arbeiten, wir hängen zusammen rum, du reparierst dein Fahrrad, du fütterst deine Fische. Ich meine, Schwule sind doch keine Freaks mit zwei Köpfen und Flügeln oder so.“
Daniel seufzt und nickt. Zumindest der Kaffee ist mittlerweile so weit abgekühlt, dass man ihn trinken kann, ohne sich zu verletzen.
„Die wichtigen Sachen ändern sich nicht“, sagt Lilli sanft. „Du wirst sehen.“
„Okay.“
Daniel ist nicht überzeugt, aber es nützt ja auch nichts, mit Lilli zu diskutieren. Er wird es wohl tatsächlich auf sich zu kommen lassen müssen – das Leben.
„Ich wäre gerne pünktlich zu Mathe“, sagt Lilli. „Ist das in Ordnung für dich? Wir kriegen vielleicht die Arbeit zurück.“
Die Arbeit?
Oh Mann. Ja, tatsächlich.
Daniel schüttelt den Kopf.
„Ich geh wieder heim. Ich muss dringend ein paar Stunden schlafen.“
„Soll ich mir deine Note sagen lassen? Wir können dann später mal telefonieren.“
Daniel nickt, obwohl ihn derzeit nichts weniger interessiert als seine Mathe-Note.
Dann piept das Handy in seiner Jackentasche und er schmeißt erst seinen leeren Kaffeebecher um, dann das Handy runter und seine Finger zittern so, dass er kaum die kleine Taste trifft.
Eine SMS.
Wo bist du?!
„Planänderung“, sagt Daniel. „Ich glaube, ich schau doch mal in der Schule vorbei. Vielleicht geh ich dann nach der Pause wieder.“
„Alles klar.“ Lilli nickt wissend. „Viel Glück.“
***
Später fragt Daniel sich, ob es das tatsächlich wert war: Eine nicht enden wollende Doppelstunde Mathe durchzustehen, mit Kopfschmerzen, die langsam wiederkommen. Sich nervöse Gedanken um das Zusammentreffen in der Pause zu machen. Wäre Mick ein Mädchen, es wäre so viel einfacher. Jungs gehen in der Pause zu ihren Freundinnen, umarmen sie und küssen sie auf den Mund, manchmal auch länger, damit alle sehen, dass dieses Mädchen ihres ist. Sie legen den Mädchen die Hand auf die Hüfte, oder tiefer, je nach dem, was schon gelaufen ist und die Mädchen lachen und schütteln ihre Haare.
Daniel kann wohl kaum in der Pause zu Mick gehen, ihn auf den Mund küssen und ihm eine Hand auf die Hüfte legen.
Am liebsten wäre er sowieso mit Mick alleine auf einem fremden Planeten, um erst mal dieses neue Leben zu erkunden, ohne dass ihm die Leute dabei über die Schulter schauen.
Er ist spät dran auf dem Pausenhof; er musste erst noch eine Predigt des Mathelehrers über sich ergehen lassen, dass man seine Schulkarriere nicht fördert, indem man seine Schulsachen daheim vergisst.
Als gäbe es sonst keine Probleme auf der Welt.
Und dann stellt sich alles Nachdenken als überflüssig heraus, denn Mick befindet sich hinter dem Fahrradschuppen, eine Kippe im Mundwinkel, umgeben von anderen aus der Elften, Jo ist auch dabei und so hat Mick kaum mehr als ein Nicken und ein lässiges Winken übrig.
Daniel denkt, dass es vielleicht auch schon helfen würde, wenn Jo auf einem fremden Planeten wäre. Allein. Oder zumindest in Australien.
Er checkt sein Handy. Die wortreiche
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