Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
SMS von vorhin war tatsächlich von Mick. Kein Wunschdenken.
Daniel vergräbt die Hände in den Taschen seiner Jeans.
Was hat er erwartet? Dass Mick zu ihm kommt, ihn küsst und ihm die Hand auf die Hüfte legt? Wohl kaum.
Dennoch, ein bisschen mehr Begeisterung hätte es durchaus sein dürfen.
Aus der Entfernung beobachtet er Mick und Jo bei ihrer lebhaften Diskussion, die sich offenbar um Musik dreht, denn Jo imitiert ein Schlagzeugsolo in der Luft.
Der Schatten lindert Daniels Kopfschmerzen. Gleich wird er nach Hause gehen und sich ins Bett legen. Und erst aufstehen, wenn sein Leben sich wieder normal anfühlt.
Dann ertönt die schrille Schulglocke und das Grüppchen hinter dem Fahrradschuppen zerstreut sich.
Ein merkwürdiges Gefühlsgemisch explodiert in Daniels Brust, als Mick die anderen ziehen lässt und zu ihm herüber kommt: Aufregung, Glück, Angst, Unsicherheit.
„Hi“, sagt Mick.
„Hi“, sagt Daniel.
„Kannst du hier auf mich warten? Ich bin gleich wieder da.“
„Ich wollte eigentlich nach Hause. Also – eigentlich wollte ich heute gar nicht hier sein. Ich bin nur hier, weil du gesimst hast.“
„Es dauert nicht lange. Nur fünf Minuten. Nur was holen.“
Daniel nickt. Natürlich wird er warten. Wie beängstigend. Er kann nur hoffen, dass Mick ihn nicht eines Tages bittet, eine Tankstelle zu überfallen.
„Cool.“ Mick grinst flüchtig, zupft an seinem T-Shirt und macht ein paar Schritte rückwärts. Für eine Sekunde wirkt er genauso verunsichert, wie Daniel sich fühlt. Mick hebt eine Hand, lässt sie unschlüssig wieder sinken, dreht sich auf dem Absatz um und trabt davon.
Als Mick endlich wiederkommt, hat der Unterricht längst begonnen und sein Gesicht und T-Shirt sind voller Blut. Daniel, der auf der Mauer sitzt, mit den Beinen baumelt und allmählich Frust schiebt, weil Mick ihn schon wieder warten lässt, springt erschrocken von der Mauer.
„Was ist passiert?“
„Du bist noch da!“
„Natürlich bin ich noch da. Woher kommt das Blut?“
„Ich musste Nasenbluten simulieren. Sorry. Deshalb hat es auch so lange gedauert. Ich bin der Heilmann direkt vor die Flinte gelaufen und musste erst mal mit rein in den Unterricht.“
„Wie zum Teufel simuliert man Nasenbluten?“
Mick grinst. Seine Oberlippe ist blutverschmiert. Er schiebt den Jackenärmel nach oben und zeigt die Innenseite seines Unterarmes. Dort klebt ein mit Blut getränktes Papiertaschentuch. Mick zupft es ab und enthüllt einen offenen Schnitt, vielleicht einen Zentimeter lang, aus dem das Blut tröpfelt.
„Hab ich mit dem Taschenmesser gemacht“, erklärt Mick. „Wenn man es geschickt anstellt, merkt niemand, dass man das Blut zuerst an den Fingern hatte und dann an der Nase.“
„Das ist nicht dein Ernst“, sagt Daniel fassungslos.
„Warum? Der Trick ist todsicher. Er hält nur leider nicht länger als fünf Minuten oder so.“
„Du hast dich selbst verletzt!“
„Mach langsam. Ich hab mir ja nicht gerade die Hand abgeschnitten.“
Daniel packt Micks Unterarm und betrachtet die Verletzung. Um sie herum entdeckt er noch mehr, feine, dünne Narben, manche noch rot, manche schon alt und silbrig.
„Hast du öfter Nasenbluten, sag mal?“
Mick zieht den Arm weg und streift die Lederjacke drüber. Dann drängt er Daniel rückwärts gegen die Mauer, legt seine Lippen auf die von Daniel und schiebt ihm den Lautsprecherknopf seines MP3-Players ins Ohr.
Daniel kann sich wirklich nicht auf Musik konzentrieren, während Mick ihn küsst.
„I wanna feel … all the chemicals inside …“,singt Mick leise. “I want a sunburn, just to know that I’m alive.”
Sein Kuss schmeckt süß, ein wenig metallisch und bitter nach Tabak, sein Rücken ist warm und sehnig unter Daniels Händen, die ihren Weg unter die schwere Lederjacke gefunden haben. Micks Hände sind in Daniels Haaren und Daniel denkt, dass er endlich, endlich begriffen hat, warum alle immer so scharf aufs Küssen sind.
Weil es wunderbar ist, großartig, weil all die Klischees wahr sind, Schmetterlinge und Feuerwerk und all das und weil er sein Schwimmbadproblem entwickeln könnte, wenn das hier so weiter geht.
Es dauert die üblichen dreieinhalb Minuten eines Popsongs. Die Musik verklingt und Mick zupft Daniel den Lautsprecher aus dem Ohr.
„Und?“
„Was und?“, fragt Daniel atemlos dagegen. „Willst du jetzt wissen, wie du warst, oder was?“
„Die Musik. Wie hat dir die Musik gefallen?“
„Ich hab doch nicht auf die
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