Fliegende Fische Band (Junge Liebe ) (German Edition)
sagen.
„Bleibt nicht so lange weg“, hört er Lillis Stimme hinter sich in der Dunkelheit. Sie klingt ein wenig unsicher, beinahe ängstlich. Er will antworten, aber Jo ist schneller.
„Keine Sorge, Süße. Ich bin gleich hier. Wenn was ist, ruf mich.“
Daniel atmet durch. Die Luft ist kalt und feucht und macht ihm die Lunge eng. Er tastet nach seinem Asthmaspray und gibt sich zwei Sprühstöße.
Er fragt sich, ob es vielleicht das Leben ist, das ihm den Atem nimmt.
Die Wiese ist glatt und schwammig unter seinen Füßen. Bäume und Gestrüpp geraten in den Lichtkegel seiner Taschenlampe, reiben ihre kalten Blätter aneinander und strecken Fingerzweige nach ihm aus. Er senkt den Lichtkegel auf das niedergewaschene Gras vor sich.
Man müsste es sehen, wenn Mick hier gegangen wäre. Daniels eigene Fußspuren sind deutlich hinter ihm erkennbar. Er leuchtet den Fluss an. Das Gewässer ist nicht sonderlich breit, fünf oder sechs Meter vielleicht, aber die Strömung ist stark und bildet immer wieder schaumige Strudel. Das Licht der Taschenlampe glitzert hektisch auf der unruhigen Oberfläche.
Man kann nicht allen Ernstes darin baden wollen, nicht bei völliger Dunkelheit. Aber wann hat Mick schon mal etwas unterlassen, nur weil es dem gesunden Menschenverstand widerspricht?
Daniel bleibt stehen und beleuchtet die Umgebung. Niedergedrücktes Gras, Ufergestrüpp, Weiden, die ihre Zweige in den Fluss tauchen. Der Regen lässt allmählich nach.
In einem Gebüsch raschelt es. Daniel lenkt den Lichtstrahl darauf und erhascht einen flüchtigen Blick auf kleine, reflektierende Augen dicht über dem Boden, dann raschelt es erneut und das Tier ist verschwunden.
Daniel fragt sich, ob er wirklich so leben will: Immer in der Hoffnung, dass Micks Lichtkegel ihn mal wieder aus der Dunkelheit holt und dass er bleibt, diesmal, dass er sich nicht weiterdreht wie ein Leuchtturm und anderswo leuchtet und Daniel mit nasser Jacke in der Dunkelheit zurücklässt, mit nichts als der Erinnerung.
Irgendwie ist es nie so dunkel gewesen, bevor Mick angefangen hat zu leuchten.
„Daniel!“
Das ist Jos Stimme.
„Ich hab ihn! Komm zurück! Wo bist du?“
„Hier!“, ruft Daniel und macht auf dem Absatz kehrt. Im zuckenden Licht der Taschenlampe stolpert er zurück zum Zelt, so schnell er kann. Jos Stimme hat eine deutliche Anspannung verraten – nicht gerade so, als hätte Mick es tatsächlich geschafft, sich zu ertränken, aber immerhin, als hätte er sich verletzt.
Im Gegenteil. Er zittert am ganzen Körper, so sehr, dass seine Zähne aufeinander schlagen, aber er grinst euphorisch.
„Das war großartig“, schiebt er durch die klappernden Zähne. „Supergeil. Müsst ihr unbedingt probieren.“
„Nein danke.“ Lilli hat inzwischen eine Tasche aus dem Kofferraum geholt und wühlt nach Handtüchern. „Ein Spinner reicht völlig.“
„Ich habe mir Sorgen gemacht“, sagt Daniel.
„Quatsch“, sagt Mick. „Warum das denn?“
Daniel schweigt. Er sieht nach Jo und entdeckt erstaunt, dass Jo sich ins Auto gesetzt hat. Die Tür auf der Fahrerseite steht offen.
„Was ist denn los?“, fragt Daniel.
„Nichts“, sagt Mick zitternd und wickelt sich dankbar in ein Handtuch. „Was soll los sein?“
„Hast du eigentlich dran gedacht, was passiert, wenn du dir jetzt eine Grippe holst? Kurz vor dem großen Auftritt?“
„Ich hole mir keine Grippe. Wozu habe ich ein Immunsystem?“
„Ach so. Nee, klar.“
„Was ist eigentlich mit dem Zelt?“
„Was soll damit sein?“
„Sieht ein bisschen klein aus.“
„Messerscharf erkannt.“
„So klein sind Vier-Mann-Zelte? Das hatte ich mir anders vorgestellt. Das wird aber eng, wenn wir da alle drin sind.“
„Wer lesen kann, ist klar im Vorteil.“ Daniel drückt Mick die durchnässte, zerknitterte Anleitung vor die Brust. „Zwei-Mann-Zelt. Steht schon auf dem Schrieb hier.“
„Warum hast du das denn nicht früher gesagt?“
„Diese Anleitung ist von einem Finnen mit brüchigen Spanisch-Kenntnissen vom Schwedischen übers Russische ins Deutsche übersetzt, oder zumindest liest sie sich so!“ Daniel kann sich nicht erinnern, wann ihm zuletzt jemand so auf die Nerven gegangen ist. „Als ich es dann entdeckte, hielt ich es für sinnvoll, es trotzdem aufzubauen, nachdem es das einzige Zelt ist, das wir haben, falls du verstehst, was ich meine.“
„Du warst deutlich genug.“
„Wie schön.“
„Warum bist du eigentlich so gepisst, sag mal? Wenn du dir schon
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