Flieh solange du kannst
hatte er fast genauso viele Anziehsachen besorgt: Hosen, Hemden, Boxershorts, Socken, teure Sportschuhe, Spielsachen und sogar Schuhe mit Stollen!
Aber warum? Morgen kämen sie in Iowa an, und das bedeutete, dass sie sich voneinander verabschieden mussten. Es war schon eigenartig, dachte sie, Preston hat uns doch zu Anfang überhaupt nicht mitnehmen wollen, und jetzt das hier …
Sie hörte, wie die Tür der Suite auf- und wieder zuging und hielt den Atem an. Er war zurück. Insgeheim rechnete sie damit, dass er jetzt hereinschauen würde, um zu sehen, wie ihr die Sachen standen und ob sie auch alle passten, aber das tat er nicht. Die Tür, die Wohnraum und Schlafzimmer miteinander verband, blieb geschlossen. Stattdessen ging der Fernseher an.
Emma war enttäuscht. War das jetzt alles? Hatte er ihr Sachen im Wert von fünfzehnhundert Dollar geschenkt und nun kümmerte es ihn nicht, was damit passierte?
Offenbar hielt Preston Geld tatsächlich für so unwichtig, wie sie es sich schon bei ihrer ersten Begegnung gedacht hatte. Was nur heißen konnte, dass diese ganzen Geschenke ihm überhaupt nichts bedeuteten. Sie brauchte etwas zum Anziehen, also hatte er es ihr besorgt. Er wollte ganz einfach ein offensichtliches Problem lösen, mehr nicht.
Emma band ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und grübelte weiter. Was hatte sie denn erwartet? Ganz offensichtlich ein bisschen zu viel. Egal, warum und wie er ihr diese ganzen Sachen besorgt hatte, es war deutlich mehr als einfach nur nett von ihm. Und dafür sollte sie sich bedanken.
Also zog sie den Gürtel ihres Morgenmantels fest und ging ins Wohnzimmer.
Er drehte sich nicht mal zu ihr um.
“Hast du einen Waschsalon gefunden?”, fragte sie.
Über seine Schultern hinweg sah sie, wie ständig das Programm eines anderen Fernsehsenders aufblitzte, während er die ganze Zeit auf die Fernbedienung drückte. “Ja, alles klar. Ich hab einen gefunden.”
“Das ist gut.”
Auf dem Bildschirm erschien eine Late-Night-Talkshow, und Preston legte die Fernbedienung beiseite. Nun begann er, die saubere Wäsche, die er vor sich auf den Tisch gelegt hatte, zusammenzulegen.
“Preston?”
“Was ist denn?”
“Würdest du bitte kurz einmal zu mir hersehen?”
Er warf ihr einen Blick über die Schultern hinweg zu, kurz, knapp und offensichtlich wenig interessiert. “Was ist denn?”
“Vielen Dank für die Kleider. Ich …”
Schon sah er wieder zum Fernsehapparat. “Geht schon in Ordnung.”
Emma fragte sich, ob es ihm vielleicht peinlich war, dass er sie so großzügig beschenkt hatte. Er zeigte seine Gefühle nicht gern, aber nach allem, was er für sie getan hatte, wusste Emma längst, dass er ein sehr empfindsamer Mensch war. “Na gut, dann gehe ich jetzt schlafen.”
“Das solltest du tun, du brauchst dringend Ruhe.”
Sie räusperte sich. “Ich vermute, du willst das jetzt gar nicht hören, aber …” Er schien sie immer noch zu ignorieren. “Ich bin dir sehr dankbar für diese schönen Sachen, die du uns gekauft hast.”
“Gern geschehen”, sagte er. “Gute Nacht.”
Damit dämpfte er ihre Freude über die wunderschönen neuen Kleider gewaltig. “Gute Nacht”, sagte sie knapp und ging.
Am liebsten hätte Preston einen Stoßseufzer der Erleichterung von sich gegeben. Es war doch nur gut, dass Emma endlich ins Bett ging, oder? Er wollte nicht darüber nachdenken, wie sie in dieser hübschen Unterwäsche aussehen mochte, er wollte seine Zurückhaltung nicht aufgeben und sich womöglich zu etwas provozieren lassen, das er später bereute.
Aber vielleicht war er zu ruppig gewesen. Denn er hatte ihre Enttäuschung deutlich gespürt. Und ein paar von den hübschen neuen Sachen zu begutachten und Emma ein paar Komplimente zu machen, hätte ihn schließlich nicht umgebracht.
Er fluchte leise vor sich hin und stand auf. Wenn er nur an diesen seidigen Morgenmantel dachte, den sie gerade getragen hatte, wusste er schon, dass ihm wieder eine schlaflose Nacht bevorstand.
Leise klopfte er an ihre Tür.
“Ja?”
Sie putzte sich gerade die Zähne. Preston betrat das Schlafzimmer und lehnte sich mit der Schulter gegen die Wand, um ihr zuzusehen. “Ich hab’s mir anders überlegt.”
Sie trocknete sich das Gesicht mit dem Handtuch ab und legte die Zahnbürste beiseite. “Was denn?”
Er musterte sie eingehend in dem Seidenmantel. Der tiefe Ausschnitt enthüllte einen Teil der wohlgerundeten Brüste und schmeichelte ihrem Körper einfach perfekt.
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