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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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von verschiedenen Personen, die er geschäftlich über das Internet kennengelernt hatte, und einer Nachricht von Gordon Latham mit Joanies neuer Adresse.
    Schließlich hatte Preston alle neu eingegangenen Nachrichten gesichtet – bis auf eine. Unter deren “Betreff” stand: “Das sollten Sie vielleicht wissen”. Da er davon ausging, dass die Mitteilung wahrscheinlich nur eine Werbebotschaft für eine Penisverlängerung oder etwas Ähnliches war, wollte er sie schon löschen. Aber dann bemerkte er den Absender und hielt inne.
    MellyD8
stand da. Und diese Adresse kannte er. Sie gehörte Melanie Deets, einer früheren Patientin von Vincent Wendell in Lockwood. Vincent hatte sie und ihre Familie gelegentlich erwähnt, aber Preston erfuhr das Wichtigste erst später beim Studieren alter Ausgaben der Lokalzeitung
Lockwood Gazette
, als er auf einige Artikel stieß, in denen Dr. Wendell als Held gefeiert wurde. Drei Jahre bevor die Wendells sich in der Half Moon Bay als Nachbarn von Preston und seiner Familie angesiedelt hatten, lobte die Zeitung Vincent dafür, dass er die kleine Melanie behandelt hatte, als sie anscheinend nur unter einer Grippe litt. Dabei war Melanie keineswegs an einer Grippe erkrankt, sondern an der gleichen Infektion, die auch zum Tod von Dallas geführt hatte. Allerdings verlief die Krankheit bei ihr ohne den typischen Ausschlag, der normalerweise mit der Erkrankung einherging, und deshalb feierte der Artikel die Weitsicht von Dr. Wendell, der ihr dennoch die richtige Behandlung verschrieben hatte.
    Preston sah das etwas anders. Seiner Ansicht nach wusste Vincent ganz genau, an welcher Infektion Melanie erkrankt war, denn er hatte sie ja selbst angesteckt!
    Der Artikel endete damit, dass die Stadt einen Park nach Dr. Wendell benennen wollte. Ein Foto von einem überaus seriös wirkenden und selbstzufrieden dreinblickenden Vincent war ebenfalls abgedruckt worden. Es zeigte Vincent auf der Höhe seiner Karriere, und Preston benutzte es als Bildschirmschoner, um sich daran zu erinnern, dass er zwar allein kämpfte, aber niemals aufgeben durfte.
    Als Preston die Familie Deets zum ersten Mal angesprochen hatte, um sie nach Details zu Melanies Krankheit und Genesung zu fragen, reagierten sie nicht sehr zuvorkommend, obwohl ein weiterer Patient von Vincent, ein Junge aus der gleichen Stadt, nicht so viel Glück gehabt hatte wie sie. Einige Monate nach Melanies wundersamer Genesung erkrankte auch der kleine Billy Duran an grippeähnlichen Symptomen. Wie sich herausstellte, handelte es sich um eine Hirnhautentzündung, die von den gleichen Bakterien verursacht wurde wie die Krankheit von Melanie. Der Junge erlitt einen schweren Schock und starb auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Und wieder hörte Preston die Stimme von Vincent in seinem Kopf:
Einer meiner Patienten ist gestorben. So was passiert halt, weißt du. Wenn man Arzt ist, muss man mit so etwas rechnen. Aber danach … verfolgt es einen.
    Preston hoffte sehr, dass Vincent sich noch immer von dem toten Billy Duran verfolgt fühlte.
    Er öffnete die Nachricht der Familie Deets. Was hatten sie ihm nach all den Monaten noch mitzuteilen? In den letzten E-Mails war ihr Ton sehr abweisend gewesen. Jim Deets hatte darauf bestanden, dass Vincent seine Tochter nicht absichtlich infiziert hatte. Warum sollte ein Arzt, noch dazu ein junger Mann mit einer hübschen Frau, einer, der alles besaß, was man sich erträumen konnte, auf die schäbige Idee verfallen, eine Patientin krank zu machen?
    Das war in der Tat die große Preisfrage. Aber Preston glaubte, die Antwort darauf längst gefunden zu haben. Er erinnerte sich noch sehr gut daran, wie Vincent nach Dallas’ Erkrankung in ihrem Haus herumstolziert war. Großspurig erklärte er Christy, sie habe genau richtig gehandelt, als sie ihn benachrichtigt habe, denn nun, da er im Haus sei, müssten sie sich keine Sorgen mehr machen. Preston wusste ja, dass Vincent es liebte, andere Menschen zu beeindrucken, aber zu diesem Zeitpunkt war ihm noch nicht klar gewesen, wie weit sein Freund tatsächlich gehen würde, um sein Ziel zu erreichen.
    Preston schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Er hätte es früher merken müssen. Vincent war süchtig nach Ruhm und Ehre, er wollte unbedingt im Mittelpunkt stehen, er genoss es, eine bedeutende Position in der Öffentlichkeit einzunehmen. Seit dem Tod seines Sohnes hatte Preston einiges über Menschen gelesen, die so veranlagt waren. Eine solche Erkrankung konnte man

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