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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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beispielsweise bei Brandstiftern beobachten, die sich dann selbst als Retter aufspielten. Sie wollten auf Teufel komm raus zu Helden werden, selbst wenn sie dafür ein Verbrechen begehen mussten. Genau so verhielt es sich bei Vincent.
    Das alles hatte Preston dem Vater von Melanie erzählt, aber der weigerte sich, ihm zu glauben. In seiner letzten E-Mail, die schon über ein Jahr zurücklag, hatte Jim Deets sogar angedroht, die Polizei zu informieren, wenn er ihn weiter belästigte.
    Warum hatte er sich nun plötzlich entschlossen, Kontakt mit Preston aufzunehmen?
    Gespannt las er die Nachricht.
    Sehr geehrte Herr Holman
,
diesen Brief schreibt Ihnen Rachel Deets. Ich sollte Ihnen eigentlich nicht schreiben, denn ich denke, mein Mann wäre nicht sehr erfreut, wenn er davon wüsste. Aber inzwischen ist etwas passiert, das mich in der Ansicht bestärkt, dass Ihre Meinung über Dr. Wendell vielleicht doch richtig ist. Als wir Melanie kürzlich für die siebte Klasse angemeldet haben, mussten wir auf einem Fragebogen auch ihre Impftermine eintragen. Als ich gerade dabei war zu erklären, dass sie seit ihrem fünften Lebensjahr keine Impfung mehr erhalten hat, behauptete Melanie, sie habe bei einem Kontrolltermin bei Dr. Wendell eine Spritze bekommen. Das war zwei Tage vor dem Ausbruch ihrer Krankheit. Sie sagt, er hätte ihr die Spritze gegeben, als ich zur Toilette gegangen bin. Mir gegenüber hat er allerdings nie eine Impfung erwähnt.

   
Melanies medizinische Unterlagen liegen jetzt bei Dr. Stone, man kann sie dort einsehen. Aber dort ist nichts von einer Impfung zu diesem Zeitpunkt erwähnt. Ich habe versucht, mit Jim darüber zu sprechen, aber er will nichts davon wissen. Seit ihrer Erkrankung fällt es Melanie sehr schwer zu lernen, und Jim kann es kaum ertragen. Aber sie ist ziemlich sicher, dass sie sich richtig erinnert. Falls Dr. Wendell Melanie absichtlich infiziert hat, hoffe ich nur, dass er nicht noch immer irgendwo praktiziert und unschuldigen Kindern Schaden zufügen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Rachel Deets
    Preston stieß einen tiefen Seufzer aus. Die Überlegung, dass Vincent der kleinen Melanie eine Spritze gegeben hatte, um sie zu infizieren, kam ihm nur allzu bekannt vor. Als Dallas krank wurde, rief Christy sofort Vincent an und bat ihn, den Jungen zu untersuchen. Da es Samstagabend war und ihr bester Freund und Nachbar Arzt, schien es nur logisch, ihn als erstes hinzuzuziehen. Vincent diagnostizierte eine Grippe – genau das, was sie erwartet hatten. Aber dann kam er am nächsten Tag ganz früh zu ihnen und erklärte, eine Injektion mit bestimmten Antikörpern würde das Immunsystem von Dallas stärken.
    Nachdem er Rachel Deets eine kurze Dankesnachricht geschrieben hatte, druckte Preston ihre E-Mail aus. Bislang hatte die Polizei sich geweigert, ihm zu glauben, aber vielleicht belehrte dieser Brief sie ja eines Besseren.
    Nachdem Emma sich geduscht und angezogen hatte, gab sie Max einen kleinen Stups und sagte zu ihm: “Es wird Zeit für dein Insulin, Liebling.”
    Der Junge ignorierte sie und starrte weiter auf den Fernsehschirm.
    “Max?”
    “Hm?”
    “Wollen wir uns heute eine neue Stelle für die Injektion suchen?” Emma bemühte sich, so viel gute Laune wir nur möglich in ihre Stimme zu legen. Es war unbedingt nötig, Max davon zu überzeugen, dass die Injektionen immer wieder an einer anderen Stelle gemacht wurden. Das Fettgewebe am Bauch war nicht ideal, denn der Körper hatte Schwierigkeiten, das Insulin von dort vollständig aufzunehmen.
    Leider wollte der Junge nicht hören. Er sagte nur “nein” und setzte ein finsteres Gesicht auf, als sie ihm die Spritze reichte.
    “Willst du es nicht wenigstens einmal versuchen?”
    Preston sah von seinem Computer zu ihnen herüber und rief: “Na los, Schlaufuchs. Hilf deiner Mommy mal ein bisschen dabei, okay?”
    Zögernd wandte Max sich vom Fernseher ab und krempelte das Hosenbein seiner Shorts nach oben. Obwohl Emma am liebsten neben ihm stehen geblieben wäre, entschied sie, dass es für ihren Sohn wahrscheinlich leichter war, wenn er dabei nicht beobachtet wurde.
    Also setzte sie sich neben dem Nachtschränkchen aufs Bett und studierte die Karte vom Zimmerservice. Max liebte es, auf dem Zimmer zu frühstücken. Wenn sie es jetzt bestellte, hätte er etwas, worauf er sich freuen könnte. Aber immer wieder musste sie aufsehen und ihm Blicke zuwerfen, während sie gleichzeitig nervös an ihrer Lippe kaute.
Komm schon, Max,

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