Flieh solange du kannst
dachte zurück an den täglichen Trott in ihrem alten Heim in San Diego, wo jeder Morgen dem anderen geglichen hatte und die Stunden quälend langsam verstrichen waren, lediglich unterbrochen von Manuels Kontrollanrufen. Beinahe unvorstellbar, dass es ihr gelungen war, ihr Leben in völlig andere Bahnen zu lenken. Nun gab es kein großes Anwesen mehr, keine Limousine, kein stundenlanges Herumliegen am Pool. All das vermisste sie nicht im Geringsten, denn es bedeutete auch, dass es keinen Manuel in ihrem Leben mehr gab. Und nicht mehr diese Einsamkeit. Auch das Gefühl, einem ungeliebten Schicksal hilflos ausgeliefert zu sein, war verschwunden. Wie oft hatte Manuel ihr erklärt, ohne ihn sei sie völlig lebensuntüchtig. Sicherlich wäre er total geschockt, wenn er wüsste, wie glücklich sie sich auf einmal fühlte.
Sie brauchte nichts weiter in ihrer Nähe als ihren Sohn und …
Jetzt drehte sie sich um und schaute Prestons mit Bartstoppeln übersäte Wangen an. Auch wenn sie es nicht gern zugab, weil sie ja wusste, dass sie sich in Iowa voneinander trennen mussten, aber dieser Mann gehörte zu ihrem neuen Leben. Zu einem Leben, in dem sie sich – jedenfalls im Augenblick – sehr wohl fühlte. Sie roch den Duft des Weichspülers in Prestons frisch gewaschenem T-Shirt, horchte auf das regelmäßige Pochen seines Herzens und kuschelte sich noch ein bisschen näher an ihn heran. Seit langer Zeit hatte sie endlich einmal wieder tief und fest geschlafen, was natürlich daran lag, dass sie sich in seiner Gegenwart sicher und geborgen fühlte.
Max begann sich zu regen. “Mommy?”
Emma drehte sich um, nahm ihren Sohn in die Arme und küsste ihn auf die Stirn. “Was ist, mein Liebling?”, flüsterte sie.
Er kniff die Augen zusammen, als er merkte, dass sie nicht allein im Bett waren. “Hat Preston sich heute Nacht auch gefürchtet?”
Emma musste lachen und merkte, dass sie sich ungewöhnlich leicht und beschwingt fühlte. Wie lange schon hatte sie nicht mehr einfach so loslachen können! Sehr lange war sie viel zu ernst und bedrückt gewesen. Das hatte sich jetzt geändert.
Lächelnd folgte sie dem Blick ihres Sohnes. Vielleicht waren sie alle drei ja ein bisschen zu weit vom rechten Weg abgekommen, aber zusammen kamen sie jedenfalls prima zurecht, dachte sie.
“Ich habe mir schon gedacht, dass ein Schlaufuchs wie du gut auf mich aufpassen kann”, murmelte Preston, um ihnen zu zeigen, dass er aufgewacht war.
Zu Emmas Glück gehörte auch, dass sie plötzlich merkte, dass ihre Beine die muskulösen von Preston umschlangen, Beine, die zu einem kräftigen männlichen Körper gehörten. Neben ihm aufzuwachen war fast so ein schönes Gefühl, wie sich in seine Arme sinken zu lassen.
“Ich bin echt stark, weißt du das, Preston?”, sagte Max. “Ich habe richtige Muskeln, siehst du?”
Preston stützte sich mit dem Ellbogen ab und sah Max zu, wie er den Bizeps anspannte. “Du bist wirklich stark. Mit dir in meiner Nähe kann ich ruhig schlafen.” Er ließ sich aufs Kissen zurückfallen und schloss die Augen. Emma dachte schon, dass er wieder eingeschlafen war, da spürte sie seine Hand auf ihrem Arm. “Hast du ihn schon getestet?”
“Das wollte ich gerade tun.”
“Ich mache es.” Während er aufstand, ließ Emma ihren Blick über seinen Körper schweifen. In der Boxershorts, dem T-Shirt und unrasiert wie er war, mit seinen blauen Augen und den verstrubbelten langen blonden Haaren sah er wirklich unglaublich sexy aus. Sein Körper passte perfekt zu dem gut geschnittenen Gesicht. Nicht einmal jemand, der ständig Krafttraining machte und Müsli aß wie Manuel, machte in Unterwäsche eine so gute Figur.
Wie sorglos Preston mit seiner physischen Erscheinung umging, gefiel Emma. Äußerlichkeiten schienen für ihn keine Rolle zu spielen. Sonst würde er ja nicht ein so verbeultes Auto fahren oder sich so anziehen, wie er es tat.
Preston holte den Beutel mit der Testausrüstung und kam gähnend zum Bett zurück. Während er den Test durchführte, sah sie ihm zu. Sie sah ihm gern zu, egal was er tat, aber sie wusste auch, dass sie es nicht übertreiben durfte, sonst würden sie ziemlich schnell wieder im Badezimmer landen. Mit Max in der Nähe war das natürlich nicht möglich, und außerdem lag noch eine große Strecke vor ihnen. Trotzdem genoss Emma das Gefühl, jemanden zu begehren. Manuel hatte von ihr so oft verlangt mit ihm ins Bett zu gehen, dass sie es kaum noch ausgehalten hatte. Daraufhin
Weitere Kostenlose Bücher