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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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aufmerksamer sein. Wenn sie nicht die Kontrolle behielt, konnte es für Max sehr schnell gefährlich werden. Doch ganz so einfach war es nicht, alles im Auge zu behalten, denn gerade, wenn sie herausgefunden hatte, wie sein Körper auf bestimmte Speisen reagierte, wuchs er wieder, und alles änderte sich.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie versuchte sie zurückzuhalten, damit sie die kleinen Markierungen auf der Spritze erkennen konnte. Gleichzeitig spürte sie, wie die Anspannung des letzten Tages, die Angst und die Sorgen, die sie sich um ihren Sohn machte, ihren Tribut forderten. Dass sie weinen musste, war ganz normal. Aber Tränen konnten ihre schwierige Situation nicht ändern.
    Max stöhnte, als sie ihm die Nadel in den Arm führte. Aber nachdem sie sie wieder herausgezogen hatte, drehte er sich auf die Seite und schlief einfach weiter.
    Sie brachte die Geräte wieder ins Badezimmer und setzte sich aufs Bett. Schaute ihren Sohn an und strich ihm mit der Hand sanft über das kurz geschnittene Haar. Heute Morgen hatte er sich unbedingt Gel ins Haar schmieren wollen, weil die älteren Jungs aus der Nachbarschaft das so machten. Auch im Fernsehen hatte er Jungs mit einer Art Igelfrisur gesehen. Emma musste lächeln, als sie daran dachte, wie er eines Tages in die Küche gekommen war, in einem T-Shirt, das er an den Ärmeln eingeschnitten hatte, um so auszusehen wie der junge Mann, der den Swimmingpool reinigte.
    Ach, Max, dachte sie, du bist mein Ein und Alles. Sie wäre überglücklich, wenn sie ihm die Tests und die Injektionen ersparen könnte. Wie gern ließe sie das alles an seiner Stelle über sich ergehen.
    Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass der Fernsehapparat im Nachbarzimmer nicht mehr lief. Endlich Ruhe und Frieden. Sie stand auf, um noch einen Blick auf das Auto draußen auf dem Parkplatz zu werfen und bemerkte draußen jemanden.
    Ihr Herz pochte bis zum Hals, aber dann erkannte sie ihren Nachbarn, der vor seiner Zimmertür stand.
    Was tat er bloß da, jetzt zu nachtschlafender Zeit?
    Durch das Fenster hindurch beobachtete sie ihn einige Minuten. Er rauchte und starrte in die Nacht.
    Ihm geht es wir mir, er kann nicht schlafen, dachte sie. Aber er machte einen wesentlich unruhigeren Eindruck. Er wirkte … verzweifelt. Wie konnte ein so junger, kräftiger und schöner Mann so traurig sein? Dann fiel ihr ein, was Maude gesagt hatte:
Das Leben hat ihm übel mitgespielt.
Was hatte sie wohl damit gemeint?
    Aber das ging sie natürlich überhaupt nichts an. Sie sollte lieber zurück ins Bett, denn sie musste morgen früh aufstehen und diesen Ort so schnell wie möglich verlassen. Trotzdem verspürte Emma Mitleid mit diesem Mann. Und das Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Diese beiden Gefühle kämpften gegen die Stimme der Vernunft in ihr an, die sagte, sie solle sich lieber nur um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Vielleicht sollte sie zu ihm gehen und ihm helfen, diese Nacht durchzustehen. Womöglich half ihr das selbst. Natürlich würde diese Nacht irgendwann zu Ende gehen, aber Emma wusste aus eigener Erfahrung, dass es Nächte gab, die einem verzweifelten Menschen endlos erschienen.
    Sie holte ihr Selbstverteidigungsspray aus der Handtasche, nur für alle Fälle, stellte einen Schuh in die Tür, damit sie nicht zuschlagen konnte, und huschte nach draußen.
    “Können Sie auch nicht schlafen?”, fragte sie und bemühte sich gleichzeitig, die Dose mit dem Spray gut hinter ihrem Rücken zu verstecken.
    Er hatte sich nicht umgedreht, als sie ihre Tür öffnete. Auch jetzt sah er sie noch immer nicht an. “Ich kann nie schlafen”, sagte er düster.
    Sie trat noch etwas näher, bemüht, vorsichtig zu sein und dabei gleichzeitig entspannt zu wirken. “Für solche Fälle gibt es doch Schlafmittel.”
    Stumm stand er da, gegen einen der Pfosten der Veranda gelehnt, zog an seiner Zigarette und schwieg. Nach einer Weile wandte er ihr den Kopf zu, sah sie interessiert an und fragte: “Möchten Sie auch eine rauchen?”
    “Nein, danke.”
    “Was wollen Sie denn? Reden? Suchen Sie Abwechslung?”
    “Weder noch, darum geht es mir wirklich nicht.” Dank Manuel hatte sie lange kaum Kontakt zu anderen Menschen gehabt. Gerade mal die Hausangestellten und die Leute im Lebensmittelgeschäft und auf der Straße kannte sie. Sie hatte die Nase voll von all den freundlichen Gesichtern, die höflich lächelten und belangslose Kommentare über das Wetter von sich gaben. Sie sehnte sich nach echter

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