Flieh solange du kannst
längst wieder im Auto sitzen. Aber sie war einfach zu erschöpft gewesen, um früh aufzustehen. Und auch Max hatte sehr lange geschlafen. Als sie endlich geduscht und angezogen waren, öffneten die Geschäfte bereits, und es erschien Emma vernünftig, im Supermarkt genügend Wasser für die Fahrt durch die Wüste von Nevada zu kaufen.
Leider ging alles nicht so schnell, wie sie es sich vorgestellt hatte. Max bekam Bauchschmerzen und musste zur Toilette gehen, wo er sehr lange blieb. Hoffentlich bekam er jetzt nicht auch noch eine Grippe. Dann meldete sich der Hunger bei ihm und sie musste etwas zu Essen kaufen. Danach benötigte er seine Insulinspritze, und das bedeutete, dass sie noch mal zu den Toiletten gehen mussten. Als sie zurückkamen, entdeckte er die Spielzeugabteilung und verlangte das versprochene Spielzeug als Belohnung für sein gestriges Verhalten bei der Polizeikontrolle. Emma brachte es nicht übers Herz, ihm zu erklären, dass er ja gar nicht so still gewesen war, wie sie es verlangt hatte. Also kaufte sie ihm ein Brettspiel mit magnetischen Spielsteinen, das er auf der Reise benutzen konnte. Mittlerweile war sie sehr unruhig und wollte unbedingt weiterfahren.
“He, Mommy, guck mal, da gibt’s Kaugummi”, rief Max, nachdem sie endlich das Regal mit dem Mineralwasser gefunden und sich in die Schlange vor der Kasse eingereiht hatten.
Emma blätterte in einer Illustrierten und sagte: “Wir haben doch genug zuckerfreie Kaugummis im Auto.”
“Aber die mag ich nicht.”
Gerade sah sie sich die Porträts einiger Hollywood-Stars an. “Immer noch besser als gar nichts, oder?”
“Wie wär’s mit Gummibärchen?”
Mit einem Seufzer sah Emma auf und wünschte, der Kassierer, ein grauhaariger Mann mit Nickelbrille, würde sich etwas mehr beeilen. Auf dem Regal vor der Kasse lag wirklich alles, was Max heiß und innig liebte, aber leider nicht essen durfte.
“Keine Gummibärchen, Liebling.”
“Ach, bitte. Nur für den Notfall, wenn ich schnell Zucker brauche.”
Das Problem dabei war, dass diese Notvorräte meistens schon viel früher angebrochen wurden.
“Das wird dir nicht guttun, und das weißt du auch. Du hast gestern schon einen Schokoriegel zu viel gegessen.”
“Und wenn ich eine Extraspritze bekomme?”
“Du hast deine Insulindosis bereits bekommen, Liebling.”
Jetzt schmollte Max. “Und wenn ich nur die Hälfte davon esse?”
“Also gut, aber du darfst sie erst heute Nachmittag essen”, sagte sie, obwohl sie wusste, dass Max im Wagen sofort anfangen würde zu betteln.
Max kannte das Spiel genau und ließ nicht locker: “Du meinst zum Mittagessen?”
“Ich meine um drei Uhr nachmittags.” Vorher würde sie ihm etwas wesentlich Gesünderes verabreichen müssen, damit er anschließend eine Süßigkeit zu sich nehmen konnte. Es ging nun mal nicht anders, auch wenn sie wirklich keine Lust hatte, ihn damit zu quälen.
Da sie auf ihr Geld achten musste, legte Emma die Zeitschrift wieder ins Regal zurück, zahlte das Mineralwasser, das Spiel und die Gummibärchen und eilte aus dem Laden. Vor lauter Unruhe und weil sie endlich losfahren wollte, bemerkte sie den Streifenwagen auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt zuerst gar nicht. Er stand direkt hinter ihrem Wagen. Max sah ihn zuerst.
“Guck mal, Mommy!”, rief er. “Da ist schon wieder Polizei.”
Als sie beiläufig in die Richtung schaute, in die Max zeigte, bekam sie weiche Knie. Ein Polizist umkreiste gerade mit misstrauischem Blick ihren Wagen, beugte sich nach vorn und spähte durch das Seitenfenster ins Innere.
Oh, Gott, dachte sie, es ist genau so, wie ich befürchtet habe, das Auto ist gestohlen. Warum sollte die Polizei sich sonst dafür interessieren?
Was nun? Sie nahm Max an der Hand und zog ihn zurück in den Laden. Auf der anderen Seite gab es einen zweiten Ausgang. Na gut, aber was dann? Ohne Auto kamen sie nicht von hier weg.
“Was ist denn los, Mommy? Wohin gehen wir jetzt?”, fragte Max, während sie ihn an der Reihe der Supermarktkassen entlang zur anderen Seite des Gebäudes zog.
Die ganze Zeit über spürte sie einen schrecklichen Druck auf der Brust, bekam kaum noch Luft. Ihr ganzes Gepäck lag im Kofferraum. Sie mussten auf alles verzichten, das war jetzt verloren. Glücklicherweise trug sie Max’ Diabetesausrüstung im Rucksack auf dem Rücken.
“Mommy! Stimmt was nicht? Weinst du?”
“Nein.” Aber er hatte ganz richtig bemerkt, dass sie mehr und mehr in Panik verfiel. “Ich
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