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Flieh solange du kannst

Flieh solange du kannst

Titel: Flieh solange du kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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ihr und Max als eine Art Test, um zu sehen, wie lange er es in Gesellschaft aushielt. Wahrscheinlich sehnte er sich nach dem Moment, in dem er sie endlich wieder loswurde.
    Beim kleinsten Ärger, so fürchtete Emma, würde er an den Straßenrand fahren und sie rausschmeißen.
    “Mommy, ich hab Hunger”, klagte Max.
    Emma wusste, dass er keinen Hunger haben konnte.
    “Du hast genug gegessen.”
    “Ich will aber einen Keks.”
    Sie warf Preston einen kurzen Blick zu. Aber dessen Blick ruhte unverwandt auf der Straße vor ihnen. Sie hoffte darauf, dass er in Gedanken versunken war und nicht weiter auf sie achtete. Aber so wie er das Lenkrad umkrampfte, als Max “Bitte, bitte” sagte, hörte er sie sehr wohl.
    “Du hast genug Süßes gehabt”, sagte sie sanft in der Hoffnung, dass Max es ganz einfach akzeptierte. Wenn er doch nur weiter mit seinem magnetischen Schachspiel spielen würde, das sie ihm im Supermarkt gekauft hatte. Oder mit den Playmobil-Figuren oder dem Malbuch.
    “Wann sind wir denn endlich da?”, fragte er.
    “Wenn es dunkel ist.”
    “Muss ich dann ins Bett gehen?”
    “Ja.”
    “Aber warum dauert es denn so lange? Ich will etwas essen.”
    Voller Sorge bemerkte Emma, wie sich ein Muskel in Prestons Nacken anspannte. Sie lockerte ihren Sicherheitsgurt und drehte sich zu Max um. Mit gesenkter Stimme raunte sie ihm zu: “Du hast dein Mittagessen schon gehabt, Liebling, das weißt du.”
    “Kann ich dann jetzt meinen Nachtisch haben?”
    Nur mit größter Mühe schaffte sie es, nicht laut loszuschimpfen. Wie sehr sie sich auch ärgerte, sie musste unbedingt ruhig bleiben. “Du hast doch schon so viele Süßigkeiten gehabt.”
    “Aber ich hab Hunger!”
    “Dann musst du eben …” Deine Proteine zu dir nehmen, wollte sie schon sagen, aber sie brach ab, weil sie nicht Prestons Misstrauen wecken wollte. Denn normalerweise benutzten Eltern im Gespräch mit ihren Kindern keine Fachbegriffe wie Kohlehydrate oder Proteine. “Dann musst du eben ein bisschen Käse essen oder das Fleisch, das eigentlich fürs Abendessen gedacht war.”
    “Ich will aber keinen Käse und kein Fleisch!”
    Max hatte einfach keine Lust auf etwas “Vernünftiges”. Und vor allem wollte er nicht mehr im Auto sitzen.
    “Schlaf doch ein bisschen, Liebling, dann geht die Zeit schneller herum. Und wenn wir dann anhalten, darfst du dir etwas zu essen aussuchen, was du gern magst, okay?”
    “Ich will wieder nach Hause”, sagte Max und begann zu weinen.
    Hin und her gerissen zwischen ihrem Unmut und der Angst, dass Preston sie bei der nächsten Gelegenheit am Straßenrand stehen ließ, wenn sie ihren Sohn nicht zum Schweigen brachte, presste Emma die Zähne zusammen und stieß ungeduldig hervor: “Max, hör jetzt bitte auf!”
    In diesem Moment griff Preston plötzlich unter sich, holte eine Packung Kekse hervor und warf sie nach hinten auf den Rücksitz.
    “Hier, die kann er essen.”
    Max schluchzte noch einmal kurz auf und schnappte sich dann die Packung. Aber Emma wusste, dass sie ihren Sohn nicht weiternaschen lassen durfte. Ohne seine Insulininjektion konnte zu viel Zucker für ihn sehr schnell lebensbedrohlich werden.
    “Ich müsste mal zur Toilette”, sagte sie.
    Prestons Blick verdüsterte sich noch mehr. “Jetzt?”
    “Ja, jetzt.”
    Er deutete nach draußen, wo sie nur Wüste sahen. “Hier ist nirgendwo ein Rastplatz.”
    “Wann kommen wir denn in die nächste Stadt?”
    “Das dauert noch ein paar Stunden.”
    Es gab nicht einmal Bäume, hinter denen man Schutz suchen konnte, nur karges Gebüsch. Emma hörte, wie Max die Kekspackung aufriss und hineinfasste.
    “Dann muss es eben so gehen”, sagte sie. “Bitte halten Sie an.”
    Preston warf einen Blick unter die Motorhaube, wo er die Pistole versteckte. Mit einem Gummiband in einer Ecke festgezurrt. Sie war nicht verrutscht, alles war in bester Ordnung.
    Erleichtert lehnte er sich gegen die Stoßstange und zündete sich eine Zigarette an, die er in aller Ruhe rauchen konnte, während Emma und ihr Sohn auf der anderen Seite ihrem Geschäft nachgingen. Vor knapp zwei Jahren, als er noch Ehemann und Vater und ein erfolgreicher Börsenmakler in San Francisco gewesen war, hatte er regelmäßig Sport getrieben. Peinlich auf eine gute Figur und Fitness bedacht. Er hatte nur gesunde Sachen gegessen, Gewichte gestemmt und war Fahrrad gefahren. Nicht im Traum hätte er gedacht, eines Tages einmal am Rand einer endlosen staubigen Straße mitten in Nevada

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