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Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
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gewesen, Bonnie jedoch freute sich, war beinahe stolz – ihr Essen war ein Erfolg. Ja, antwortete sie Rod, sie werde schon zurechtkommen.
    Nach dem Abendessen brachte Bonnie Amanda zu Bett, rief dann Mira Gerstein an, eine ältere Frau, die in der Nähe wohnte, und fragte sie, ob sie Babysitten könnte. Sie werde nicht lange ausbleiben, erklärte sie, obwohl sie noch gar nicht wußte, wohin sie wollte, was sie vorhatte. Halt dich da raus, hörte sie Rod sagen, als sie in ihren Wagen stieg und aus der Einfahrt rückwärts in die Winter Street hinausfuhr. Aber wie hätte sie zu Hause sitzen und Däumchen drehen können, wenn ihr Kind in Gefahr war? Wie konnte sie hoffen, daß diese Familie zusammenwachsen würde, solange Joans Geist nicht zur Ruhe gekommen, solange Joans Mörder nicht gefaßt war? Erst wenn das erreicht war, würden sie alle gemeinsam vorwärtsgehen können; erst dann wären sie sicher.
    »Schön und gut, aber was soll das hier eigentlich bringen?« sagte Bonnie laut zu sich selbst, als sie in die Marsh Lane einbog und langsam, auf der Suche nach Nummer 18, an den alten Holzschindelhäusern vorbeifuhr, die in unregelmäßigen Abständen die Straße säumten.
    Nummer 18 war das älteste Haus in der kleinen Straße, so sah es jedenfalls aus, von den Spuren der Vernachlässigung überzogen wie von einem zweiten Anstrich. In diesem Haus lebte Haze, von seiner Mutter verlassen, nachdem diese selbst von ihrem Mann, Hazes Vater, verlassen worden war, bei seinen Großeltern mütterlicherseits. Bonnie verringerte ihr ohnehin schon gemächliches Tempo; sie kroch jetzt beinahe und versuchte dabei, durch die vorhanglosen Fenster in das ebenerdige Haus zu spähen. Aber drinnen war alles dunkel; es sah nicht so aus, als wäre jemand zu Hause, obwohl in der Einfahrt ein alter blauer Buick stand. Was für ein Auto fuhr Haze? Sie hielt an, überlegte, ob sie aussteigen sollte, anklopfen und verlangen, mit den Großeltern zu sprechen, die sie nicht kannte.
    Und wozu soll das gut sein? fragte sie sich, den Fuß schon wieder auf dem Gaspedal. Was will ich diese Leute denn fragen? Wo ihr Enkel heute unmittelbar nach der Schule gewesen ist? Ob ihnen sein Verhalten in letzter Zeit sonderbar vorkommt? Ob sie es für möglich halten, daß er einen Mord begangen hat?
    Sicher, großartig. Hervorragende Detektivarbeit. Überlaß die Sache der Polizei, hatte Rod ihr geraten, und er hatte recht. Sie hatte ihren Teil getan, den Beamten alles gesagt, was sie wußte.
    Nur hatte sie eben nicht alles gesagt, was sie wußte.
    Sie bog in die Spruce Street ein, dann wieder in die Elm Street und wieder in die Cherry Street. Sie hatte ihnen kein Wort davon gesagt, daß sie ihren Bruder gesehen hatte. An der Meadow Street bog sie erneut ab und hielt am Ende der langen Straße.
    An der zweiten Ecke rechts und dann wieder links, und sie wäre da – vor dem alten Backsteinhaus, in dem sie aufgewachsen war, dem Haus, das ihre Mutter ihrem Bruder vererbt hatte. Und Nick hatte es augenblicklich an seinen Vater verkauft.
    Nur einmal rechts, dann einmal links, und sie wäre dort. Aber ich fahre jetzt nicht hin, sagte sie sich, obwohl sie wußte, daß sie schon auf dem Weg dorthin war, daß sie von Anfang an zu diesem Haus gewollt hatte, diesem Spukhaus voller Geister und Gespenster.
    Sie fuhr beinahe automatisch, ihre Finger berührten kaum das Lenkrad. Seit dem Tod ihrer Mutter war sie nicht mehr zu diesem Haus zurückgekehrt, hatte sich sogar verboten, an es zu denken, obwohl manchmal, wenn sie die Augen schloß, die dunklen Mauern ihrer Kindheit emporwuchsen und sie gefangenhielten wie ein Sarg. Dann sah sie auch immer die aufdringliche Blumentapete, der sie stets die Schuld an dem leicht widerwärtigen Geruch gegeben hatte, der jedes Zimmer erfüllte.
    »Was tu’ ich hier?« fragte sie sich, als sie ihren Wagen vor dem Haus in der Maple Road 422 anhielt, einen Moment lang nicht sicher, ob sie einen Fehler gemacht hatte und an der falschen Ecke abgebogen war. »Was haben sie denn mit dem Haus gemacht?« fragte sie laut. Ihre Beine zitterten, als sie aus dem Auto stieg.
    Die roten Backsteinmauern waren grau gestrichen worden, und jedes Fenster hatte weiße Läden. In zwei großen Tontöpfen rechts und links der Haustür und in einem langen Blumenkasten vor dem Küchenfenster waren bunte Stiefmütterchen angepflanzt. Der Geruch frisch gemähten Grases wehte ihr in die Nase, als sie langsam den Weg hinaufging. Was tue ich hier, fragte sie sich

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