Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flieh Wenn Du Kannst

Flieh Wenn Du Kannst

Titel: Flieh Wenn Du Kannst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Fielding
Vom Netzwerk:
verlieren.
    »Ich brauche dringend etwas Neues«, sagte sie und zupfte demonstrativ an ihrem Haar.
    »Es ist sehr trocken«, stellte Rosie fest, als sie eine Handvoll von Bonnies Haar in ihrer Faust zusammendrückte. »Am besten verpassen wir Ihnen erst einmal eine Behandlung. Haben Sie es eilig?«
    »Ich hab’ den ganzen Tag Zeit«, antwortete Bonnie und überlegte, wie sie auf diese irrsinnige Idee verfallen war, hierherzukommen. Sie hatte in der Schule angerufen und sich krank gemeldet, und jetzt saß sie hier mitten in Boston, praktisch im Schaufenster eines piekfeinen Frisiersalons, um sich die Haare machen zu lassen. Was, wenn jemand sie sah?
    »Ihr Haar braucht vor allem eine Behandlung und einen guten Schnitt«, sagte Rosie. »Was meinen Sie?«
    »Das überlasse ich ganz Ihnen«, erwiderte Bonnie. »Tun Sie, was Sie für das beste halten.«
    »Das ist die richtige Einstellung«, stellte Rosie fest.
     
    »Ich wollte gern zu Dr. Greenspoon«, sagte Bonnie zu der Wand hinter den wohlfrisierten Köpfen von Erica McBain und Hyacinth Johnson. »Ich weiß, daß ich keinen Termin habe, aber... es ist... es ist wirklich wichtig.«
    »Tut mir leid«, antwortete Hyacinth Johnson und schaffte es, einen Ton anzuschlagen, als meinte sie, was sie sagte. »Dr. Greenspoon ist heute nicht in der Praxis.«
    »Ach, verdammt«, schimpfte Bonnie lauter als beabsichtigt. »Ich muß ihn unbedingt sprechen.« Seht mich doch an, hätte sie am liebsten gerufen. Schaut her, was ich mit meinem Haar angestellt habe! Seht ihr denn nicht, daß ich eine kranke Frau bin, daß ich Dr. Greenspoon so schnell wie möglich brauche?
    »Wir haben am nächsten Montag um zehn einen freien Termin, wenn Sie den haben möchten.«
    »Nein, das ist zu spät.«
    »Tut mir leid, vorher geht gar nichts.«
    »Schon gut«, sagte Bonnie. »Eigentlich brauche ich Dr. Greenspoon gar nicht. Es war nur so ein Impuls.«
    Impuls? höhnte sie innerlich. Fast zwei Stunden hatte sie draußen vor dem Haus gesessen und überlegt, ob sie hineingehen sollte oder nicht. Konnte man das als Impuls bezeichnen? Und wie kam sie dazu zu sagen, daß sie Dr. Greenspoon eigentlich gar nicht brauchte? Sie war wirklich total verrückt, reif für die Anstalt. Man mußte sich nur anschauen, was sie heute schon alles angestellt hatte. Erst hatte sie die Schule geschwänzt, dann hatte sie Captain Mahoney gegen sich aufgebracht, und zur Krönung des Ganzen hatte sie dann auch noch die rabiate Rosie an ihre Haare gelassen. Wie hatte sie nur dieser Person die Erlaubnis geben können, mit ihrem Haar zu verfahren, wie sie wollte! Sie sah jetzt schlimmer aus als zuvor. Als ihr Haar noch länger gewesen war, hatte sie es wenigstens nach hinten binden oder nach vorne kämmen können. Was sollte sie denn mit fünf Zentimeter langem Haar machen? Hatte Rosie noch nichts davon gehört, daß der Grunge-Look passé war? Daß eine Frau von fünfunddreißig Jahren nicht wie Peter Pan herumlaufen konnte? Was würde Rod sagen, wenn er sie sah?
    Er würde sie für verrückt erklären. Und würde damit recht haben. Sie war tatsächlich verrückt. Sonst wäre sie nicht vom Friseur direkt hierhergefahren und hätte sich zwei Stunden lang vor dem Haus herumgedrückt, ehe sie sich hineinwagte. Sie war total übergeschnappt, wie Rod sagen würde. Hatte er nicht genau diese Worte gebraucht, um der Polizei seine geschiedene Frau zu beschreiben? Nun, jetzt konnte er es von ihnen beiden sagen. Sowohl seine geschiedene als auch seine derzeitige Frau waren total übergeschnappt. Noch etwas also, das sie allem Anschein nach gemeinsam hatten.
    Hör auf, sagte sich Bonnie, du machst dich wirklich noch verrückt. Du machst dich krank. Ja, so einfach war das. Sie wurde mit den Veränderungen in ihrem Leben nicht fertig, und ihr Körper versuchte ihr zu sagen, daß sie Hilfe brauchte. Die psychosomatische Grippe. Und die Kur kostete nur zweihundert Dollar pro Stunde.
    »Ich glaube, ich nehme den Termin doch, wenn es geht«, sagte Bonnie.
    So ruhig, als sei solche Unentschlossenheit bei Patienten ganz normal, schrieb Hyacinth Johnson den Termin auf eine kleine Karte und reichte sie Bonnie. »Nächsten Montag um zehn«, wiederholte sie. »Bis dann.«
     
    »Ich kann Ihren Namen auf der Besucherliste nicht finden, Mrs. Wheeler«, sagte der Portier, nachdem er die Liste, die vor ihm lag, überflogen hatte.
    »Mein Mann weiß nicht, daß ich komme«, erklärte Bonnie. »Ich wollte ihn überraschen.« Und was für eine

Weitere Kostenlose Bücher