Fliehe weit und schnell
schnell wie möglich nach Romorantin. Er muß gleich morgen früh mit der Untersuchung beginnen. Danglard ist Experte in Sachen Familienlogik, speziell für die Richtung ›Verwüstetes‹. Sagen Sie ihm, er soll herausfinden, ob Antoine Hurfin nicht ein Sohn von Heller-Deville ist. Ein illegitimer Sohn.«
»Warum suchen wir danach?«
»Weil er genau das ist, Mordent.«
Beim Aufwachen fiel Adamsbergs Blick auf das aufgeschlitzte, nackte, trockene Handy. Er wählte die Servicenummer, die allen Nervensägen Tag und Nacht zur Verfügung steht, und verlangte ein neues Gerät mit seiner alten, ertrunkenen Nummer.
»Das ist unmöglich«, antwortete ihm eine müde Frauenstimme.
»Das ist möglich. Das elektronische Dings ist trocken. Man muß es nur in einen anderen Apparat umfüllen.«
»Das ist unmöglich, Monsieur. Es handelt sich hier nicht um Hauswäsche, es handelt sich um eine Chipkarte. Diese Dinger sind so komplex, als wären es elektronische Insekten, winzig wie Flöhe, die kann man nicht...«
»Ich weiß alles über Flöhe. Sie sind widerstandsfähig«, unterbrach Adamsberg. »Ich wünsche, daß Sie diese hier in ein anderes Umfeld transponieren.«
»Warum nehmen Sie sich nicht schlicht und einfach eine andere Nummer?«
»Weil ich in den nächsten zehn oder fünfzehn Jahren einen dringenden Anruf erwarte. Kriminalpolizei«, fügte Adamsberg hinzu.
»Ja, wenn das so ist...«, sagte die Frau beeindruckt.
»Ich lasse Ihnen das Gerät sofort bringen.«
In der Hoffnung, sein persönlicher Floh möge sich als wirkungsvoller erweisen als die Flöhe von Damas, legte er auf.
37
Danglard rief an, als Adamsberg sich gerade eine Hose und ein T-Shirt übergestreift hatte, die mit denen vom Vortag mehr oder minder identisch waren. Adamsberg strebte danach, eine universelle Kleidung zu entwickeln, die jegliche Frage der Auswahl und des Zusammenpassens hinfällig machen würde, um sein Leben sowenig wie möglich mit Kleidungsgeschichten zu belasten. Es war ihm jedoch nicht gelungen, andere Schuhe in seinem Kleiderschrank zu finden als ein Paar schwerer Bergstiefel, die für Pariser Straßenverhältnisse ungeeignet waren, und so hatte er auf ein Paar Ledersandalen zurückgegriffen, in die er schließlich barfuß hineinschlüpfte.
»Ich bin in Romorantin und bin müde«, sagte Danglard.
»Sie werden vier Tage am Stück schlafen, wenn Sie mit dieser Stadt fertig sind. Wir nähern uns dem neuralgischen Punkt. Lassen Sie die Spur Antoine Hurfin nicht aus den Augen.«
»Ich bin fertig mit Hurfin. Ich schlafe und mache mich dann wieder auf den Weg nach Paris.«
»Später, Danglard. Schütten Sie drei Kaffee in sich rein und bleiben Sie dran an der Spur.«
»Ich bin drangeblieben und fertig damit. Es hat genügt, die Mutter zu befragen, sie macht aus der Tatsache kein Geheimnis, ganz im Gegenteil. Antoine Hurfin ist der Sohn von Heller-Deville und wurde acht Jahre nach Damas geboren, ein illegitimes, nicht anerkanntes Kind. Heller-Deville hat ihm...«
»Wie sind ihre Lebensverhältnisse, Danglard? Sind sie arm?«
»Sagen wir, sie leben bescheiden. Antoine arbeitet bei einem Schlosser, er wohnt in einem kleinen Zimmer über dem Laden. Heller-Deville hat ihm...«
»Wunderbar. Springen Sie ins Auto, die Details erzählen Sie mir, wenn Sie hier sind. Sind Sie mit dem folternden Physiker weitergekommen?«
»Ich habe ihn gestern um Mitternacht auf meinem Bildschirm dingfest gemacht. Es ist Châtellerault. Messelet-Stahl, ein ziemlich großes Unternehmen im Industriegebiet, Zulieferer Nummer eins für die Luftfahrt, und das auf dem Weltmarkt.«
»Ein dicker Fang, Danglard. Ist Messelet der Besitzer?«
»Ja, Rodolphe Messelet, Physiker, Professor an der Universität, Laborleiter, Unternehmer und Exklusivinhaber von neun Patenten.«
»Darunter ein Ultraleicht-Stahl, der praktisch unbrechbar ist?«
»Unzerbrechlich«, korrigierte Danglard. »Ja, unter anderem. Dieses Patent hat er vor sieben Jahren und sieben Monaten angemeldet.«
»Das ist er, Danglard, der Auftraggeber der Folteraktion wie des Diebstahls.«
»Natürlich ist er es. Aber er ist auch ein Provinzfürst und ein unantastbarer Großindustrieller.«
»Wir werden ihn antasten.«
»Ich glaube nicht, daß uns das Innenministerium in der Sache unterstützen wird, Kommissar. Da geht es um zuviel Geld und um nationales Ansehen.«
»Wir brauchen niemandem Bescheid zu geben, schon gar nicht Brézillon. Eine kleine undichte Stelle, ein paar Informationen
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