Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
Vom Netzwerk:
dieser Wetterlage, gluckerte Prosecco in meinen Adern. Als Nero verstrubbelt aus dem Schlafzimmer kam, begrüßte ich ihn mit einem sauber intonierten ›Der Kaffee ist fertig‹.
    »Habe ich was verpasst?«
    »Schau mal raus.«
    »Wow.« Er schwieg beeindruckt beim Anblick der verschneiten Berge, die so klar am Horizont standen, als habe jemand eine frisch gemalte Theaterkulisse zum Trocknen vor das Fenster geschoben.
    »Siehst du, es lohnt sich doch, hier draußen zu leben«, versuchte ich ihn zu überzeugen.
    »Wenn ich die Alpen sehen will, fahre ich auf den Olympiaturm.«
    »Angeber, großstädtischer.«
    »Wo ist nun der Kaffee?«
    »Außer Großkotz auch noch Macho?«, reizte ich ihn.
    »Lass mich erst mal wach werden. Du bist doch sonst nicht so drauf.«
    »Das ist der Dämon in mir.«
    »Den kenne ich noch gar nicht«, seufzte Nero und goss sich Kaffee ein.
    »Keine Panik. Liegt nur am Wetter. Die Föhnluft ist so was wie LSD für mich.«
    »Wie überaus beruhigend!«
    »Visa para un sueño«, intonierte ich.
    »Hä?«
    »Visum für einen Traum.«
    »Was für ein Visum?«
    »Du kapierst echt nichts.«
    Nero stellte die Tasse ab und grinste frech. Er sah unheimlich gut aus mit dem braunen Strubbelhaar, dem Drei-Tage-Bart, dem T-Shirt und den Boxershorts. Außerdem hatte er schöne Füße. Die meisten Männer hatten grässliche Mauken mit schartigen, vom Pilz zerfressenen Nägeln. Nicht so Nero.
    »Also, was für ein Visum?«, wiederholte er und zog mich zu sich.
    »Kann ich jetzt nicht erklären.«
    »Habe ich eins?«
    »Ein was?«
    »Ein Visum.«
    »Wofür?«
    »Für die Dame, die nun auf meinem Schoß sitzt.«
    Der Barhocker wackelte bedrohlich unter unser beider Gewicht.
    »Hast du es schon beantragt?«
    Nero nagte an meinem Ohr. »Ist es so richtig?« Er ging ziemlich ran.
    Wenn Föhn war, bekam ich nicht genug. Sollte er ruhig noch ein paar Anträge stellen.

     

     
    E n d e

     

Nachwort

     

     
    Alle Personen in diesem Kriminalroman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit Personen und Ereignissen aus der Welt außerhalb dieses Buches sind nicht beabsichtigt, sofern sie im Folgenden nicht entsprechend gekennzeichnet wurden. Die geschichtlichen Fakten, auf die der Roman Bezug nimmt, sind jedoch Realität.
    Die Informationen zur Fluchthilfe, auf denen dieser Krimi fußt, sind historisch korrekt, wobei ich mich als Quelle besonders auf die Dissertation von Marion Detjen gestützt habe: Marion Detjen, ›Ein Loch in der Mauer. Die Geschichte der Fluchthilfe im geteilten Deutschland 1961-1989‹. München: Siedler Verlag 2005.
    Die Fluchthelfer um Gerrit Binder, die ich im Roman schildere, sind als studentische Fluchthilfegruppe dargestellt, die mit ihren Aktionen kein Geld verdiente und aus Solidarität und Idealismus handelte. Ich habe mich dabei an Detjens Erläuterungen zur Gruppe um Detlef Girrmann orientiert (ebd., S. 97ff.). Auch die Fakten über Fluchthilfe, von denen Gerrit Binder Kea gegenüber spricht, basieren auf Detjens Buch. Gerrit Binder und seine Mitstreiter sind jedoch Erfindungen.
    Der Student Herbert Belter hat wirklich gelebt und im Kampf für die Demokratie sein Leben verloren. Gemeinsam mit Kommilitonen hatte er im Herbst 1950 gegen die Behinderung von bürgerlichen Kandidaten bei den Studentenratswahlen protestiert und Flugblätter verteilt. Außerdem hatte Herbert Belter an den RIAS Informationen zur politischen Entwicklung an der Universität Leipzig geliefert. Nach seiner Verhaftung am 5. Oktober 1950 warf man ihm wegen seiner Kontakte zum RIAS Spionage vor und lieferte ihn an den sowjetischen Geheimdienst aus. Das sowjetische Militärtribunal verurteilte ihn am 20.1.1951 zum Tode. Am 28.  April 1951 wurde Herbert Belter 21-jährig in Moskau mit einem Genickschuss hingerichtet. Dort liegt er auf dem Friedhof Donskoje in einem Massengrab. 1994 erklärte die russische Militärstaatsanwaltschaft das Urteil für rechtswidrig und rehabilitierte ihn. (Quelle: http://www.jugendopposition.de/index.php?id=2867; eingesehen am 13.1.2009.) Weitere Studenten aus Belters Umfeld sind zu je 25 Jahren Zwangsarbeit in der Sowjetunion verurteilt worden. Sie konnten erst nach Stalins Tod 1953 beziehungsweise nach dem Besuch von Bundeskanzler Adenauer in der Sowjetunion im Jahr 1955 nach Hause zurückkehren. Die fünf Überlebenden aus der Belter-Gruppe erhielten für ihr demokratisches Engagement im Juni 2007 das Bundesverdienstkreuz (Quelle:

Weitere Kostenlose Bücher