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Fliehganzleis

Fliehganzleis

Titel: Fliehganzleis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederike Schmöe
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Spitzel haben irreparablen Schaden angerichtet. Vor allem, weil sie Menschen, Freunde, Geliebte gegeneinander ausspielten. Sie säten Zwietracht, Misstrauen und Angst. Sorgten dafür, dass Menschen in ihrem Umfeld isoliert wurden, niemandem mehr trauten, nicht einmal sich selbst! Allein dieser Aspekt der deutschen Teilung war desaströs.«
    »Kannten Sie Larissa?«
    Kendra kniff die Augen so fest zusammen, dass der Kajal Knitter bildete. »Wann wollte sie raus?«
    »1973.«
    »Damals war ich schon nicht mehr dabei. Ich hatte Ende der Sechziger aufgehört mit Fluchthilfe. Es ging nicht mehr. Wir ruinierten uns allmählich. Hatten nicht einmal genug Geld, um unsere Kosten zu decken. Gingen auf Betteltour bei Industriellen und Politikern und investierten die Mittel, die man uns großzügig gab, in Fluchtprojekte.« Sie schüttelte den Kopf. »Mit den Jahren ging vielen von uns die Kraft aus. Etliche verschuldeten sich maßlos. Ich weiß von einer jungen Frau, die ihre Gaststätte durchbrachte, weil sie immer mehr Geld in die Fluchthilfe investierte. Schließlich musste sie ihre Kneipe veräußern. Und dann die moralischen Zweifel! Wir kamen ja ständig mit dem Gesetz in Konflikt. Wir besorgten falsche Pässe oder fälschten selber, wir gefährdeten Flüchtlinge und Kuriere. Auch uns selbst.«
    Sie stand auf, um die Pissaladière aus dem Ofen zu holen. Der mediterrane Duft erfüllte die Wohnung. Mein Magen knurrte.
    »Unsere Gruppe hat nie Bleibetouren inszeniert. Das waren andere! Nach uns. Die haben Doppelgänger unter falschen Behauptungen in den Osten geschickt, ihnen die Papiere weggenommen und sie an ihre Flüchtlinge weitergereicht. Dadurch haben sie in Kauf genommen, dass die anderen Leute verhaftet wurden. Nein, das haben wir nicht gemacht. Im jugendlichen Überschwang rechtfertigt man vieles, aber nach und nach kommt man ins Grübeln. In den späteren Jahren hat uns nicht nur die DDR -Propaganda systematisch als Menschenhändler und skrupellose Kriminelle diffamiert, sondern auch manche Berichterstattung in der westlichen Presse. Den meisten Reportern ging es um die Sensation einer geglückten oder misslungenen Fluchthilfeaktion, nicht darum, einen Sachverhalt sauber zu recherchieren. Die Leute gewöhnten sich an die Mauer. Zuerst resignierten sie und später akzeptierten sie die Dinge, wie sie waren.«
    Sie servierte zwei Teller mit dampfenden Stücken Pissaladière. Ich biss sofort hinein. Der Geschmack nach Sardellen, Knoblauch und frischen Tomaten lenkte für Augenblicke all meine Wahrnehmungsfähigkeit auf die Geschmacksnerven.
    »Das schmeckt wunderbar!«
    »Danke.« Kendra lächelte, aber es sah nicht mehr fröhlich aus wie zuvor. »Ein Rezept aus der Provence. Ich möchte niemanden richten oder bewerten oder was auch immer.« Sie biss ebenfalls in ihre Pissaladière. »Wir waren jung und idealistisch. Die Kameradschaftlichkeit in der Gruppe war einzigartig – so etwas hatte ich nie zuvor erfahren. Wir taten etwas. Die Politiker hielten angesichts der Mauer den Mund. Als Amerikaner und Sowjets sich im Oktober 1961 am Checkpoint Charly gegenüberstanden, herrschte Totenstille. Da wurde kein Sterbenswort laut. Nur kein dritter Weltkrieg, das war die Devise. Aber irgendjemand musste doch etwas dagegen unternehmen! In den ersten Monaten waren wir sehr leidenschaftlich. Wir rannten buchstäblich mit dem Kopf gegen die Mauer.«
    Mein Stift fegte wie ein Irrwisch übers Papier.
    Kendra brachte mir ein zweites Stück von der köstlichen provenzalischen Pizza.
    »Schade, dass diese Geräte nicht auch Gerüche aufnehmen können«, sagte sie mit einem Blick auf meinen Rekorder. »Larissa kenne ich nicht persönlich. Gerrit erwähnte aber ihren Namen. Einige von uns fanden irgendwann den Absprung, andere konnten nicht aufhören, die hingen an der Fluchthilfe wie ein Junkie an der Nadel. Ich selbst machte bis 1968 mit, ließ mich ab und zu noch breitschlagen, in den darauffolgenden Jahren die eine oder andere Tour zu organisieren. Gerrit war übrigens auch nicht so lange dabei. Manchmal bekam einer von uns noch einen Anruf von den Leuten, die in der Zwischenzeit in der Fluchthilfe ein Geschäft witterten. Wir hatten unsere Kontakte. Ich gab das eine oder andere Mal einen Tipp. Mehr nicht.«
    »Kannten Sie eine Frau namens Katja?«, fragte ich.
    »Katja? Nein. Wer sollte das sein?«
    »Ich weiß es nicht. Jemand aus Larissas Umkreis oder dem der Fluchthelfer, nehme ich an.«
    Sie zuckte die Achseln. »Tut mir

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