Flinx
gewann ihren Reiz aus dem exotischen Ort und der Anwesenheit von Thranxartisten. Es war ziemlich spät, als sie schließlich abschaltete und sich zum Bettgehen bereitmachte; eine kurze Dusche, eine halbe Stunde Haare bürsten, und sie schlüpfte wohlig seufzend unter ihre Thermodecke.
Wie sie so im Dunkeln dalag und darauf wartete, dass der Schlaf sich einstellte, schlich sich ein beunruhigender Gedanke in ihr Bewusstsein. Warum sollte der Junge eigentlich über eine solche Fähigkeit lügen?
Vielleicht, dachte sie, weil er, wenn er zwei Leute überzeugen konnte, etwas zu kaufen, was sie nicht wollten, er das wahrscheinlich auch mit anderen tun könnte. Und wenn er es bei anderen zuwege bringen konnte, was war dann diesen letzten Herbst geschehen, als sie auf ihrem Weg durch die Stadt an der Auktionsplattform vorbeigekommen war, und etwas sie, für sie selbst verblüffend, aufgehalten hatte. War es nicht möglich, dass der Kauf, den sie damals getätigt hatte - der bis zu diesem Tage unerklärliche Kauf, den sie nie zu gründlich bedacht hatte -, durch einen leichten geistigen Anstoß des Gekauften gefördert worden war? Warum hatte sie ihn gekauft? Auch keiner ihrer Freunde hatte das verstehen können.
Beunruhigt stieg sie wieder aus dem Bett und ging zum Zimmer des Jungen. Ein Blick hinein zeigte ihr, dass er tief schlief, ein unschuldig wirkendes Kind, wie man es sich unschuldiger nicht wünschen konnte. Aber jetzt war da noch etwas anderes, etwas Unsichtbares, Unvorhersehbares, dessen sie nie ganz würde sicher sein können. Sie würde nie wieder imstande sein, sich in Gegenwart des Jungen zu entspannen.
Sie hatte schon angefangen, ihr ursprüngliches Bedauern zu vergessen, und ihm all die Liebe entgegenzubringen, die sie vorher seinesgleichen nie hatte geben können. Er war wirklich ein lieber kleiner Knirps und hatte sich im Laden mehr als nützlich gemacht. Es war gut, auf ihre alten Jahre einen solchen Jungen zu haben, aber in nächster Zeit, wenigstens auf eine Weile, würde sie ihn mit der einen Hand tätscheln, und die andere für alle Fälle als Waffe bereithalten. Zumindest bis sie für sich, in ihrem eigenen Bewusstsein, sicher sein konnte, dass das, wessen sie sicher war, noch ihr eigenes Bewusstsein darstellte.
Du alte Närrin, dachte sie, als sie sich wieder ihrem eigenen Zimmer zuwandte. Zuerst hast du ihn gelobt, weil er ein Talent besitzt, und jetzt machst du dir seinetwegen Sorgen. Beides geht doch nicht. Außerdem, warum ein Talent fürchten, das sein Besitzer selbst nicht unter Kontrolle halten konnte? Jenes Geständnis des Jungen, zumindest, schien, seiner Verwirrung und seiner Sorge nach zu schließen, der Wahrheit zu entsprechen.
Als sie zum zweitenmal in ihr Bett schlüpfte, fühlte sie sich schon wohler. Es gab wirklich keinen Grund zur Besorgnis. Interessant war es, dieses Talent, das er da hatte, aber wenn er es nicht steuern konnte, brauchte man auch nicht besorgt zu sein.
Jemand, der eine solche Fähigkeit nicht meistern konnte, würde ohnehin nie viel zu bedeuten haben.
»Haithness, Cruachan, kommen Sie her!«
Die Frau vor dem Computerbildschirm hatte wieder einen ganzen Vormittag damit verbracht, sich endlose Reihen abstrakter Daten anzusehen. Sie versuchte, ein chemisches Rätsel von einiger Kompliziertheit zusammenzufügen. Aber an dem Morgen hatte sich, wie das in ganz seltenen Glücksfällen gelegentlich geschieht, ein besonders wesentliches Stück des Rätsels ganz unerwarteterweise gelöst. Anstelle eines wahren Morasts von Zahlen und undisziplinierter Grafiken erstrahlte auf dem Schirm jetzt ein Bild perfekter Symmetrie.
Der Mann, der jetzt hastig zu ihr gelaufen kam, um über ihre Schulter zu blicken, war groß, mit einem von eindrucksvollen Linien gezeichneten Gesicht. Die dunkelhaarige Frau, die inzwischen neben ihn getreten war und ebenfalls den Bildschirm anstarrte, war in gleicher Weise beeindruckt.
Der Raum, in dem die drei arbeiteten, befand sich in einem kleinen, unauffälligen Bürogebäude in einer unwichtigen Stadt auf einer abgelegenen Welt. Die Geräte, mit denen sie beschäftigt waren, wirkten zwar zusammengeflickt, ihre Bedienung erforderte jedoch ungeheure Erfahrung in der Bedienung und erhebliche Mittel.
Wissen und Geld kamen von weit verstreuten, scheinbar untereinander nicht in Beziehung stehenden Orten im ganzen Commonwealth. Für die Männer und Frauen, die in dem Raum praktisch lebten, war diese Isoliertheit eine ehrenvolle Bürde, ihre
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