Flinx
so ein Gefühl, das ich manchmal habe.«
»Bekommst du dieses Gefühl jedesmal, wenn du jemanden ansiehst, der schuldig ist?«
»Nicht nur schuldig«, erklärte er, »das sind alle möglichen Gefühle. Leute sind ... es ist wie ein Feuer. Man kann Hitze von einem Feuer fühlen.« Sie nickte langsam. »Nun, ich kann gewisse Dinge aus den Köpfen der Leute fühlen. Glück oder Furcht oder Hass und eine Menge anderer Dinge, die ich nicht richtig verstehe. Wie wenn ein Mann und eine Frau zusammen sind.«
»Kannst du das immer tun, wenn du willst?« fragte sie.
»Nein, ganz selten nur. Meistens fühle ich überhaupt nichts. Dann ist alles ganz sauber und springt nicht auf mich zu, und ich kann mich entspannen. Und dann gibt es Zeiten, wo das Gefühl einfach da ist. Hier drinnen«, fügte er hinzu und griff sich wieder an die Stirn. »Ich habe diesen Mann angesehen, und die Schuld und die Sorge haben aus ihm herausgeleuchtet wie ein Feuer, ganz besonders, wenn er den Schaukasten mit dem Schmuck ansah. Und Sorgen hat er sich auch gemacht, dass man ihn irgendwie entdecken könnte und fangen, und eine Menge anderer Dinge. Er dachte daran, große Mengen von schnellem Geld hinauszuwerfen. Geld, das er auf unehrliche Weise bekommen würde.«
»Gefühle«, sinnierte sie, »alles Gefühle.« Dann fing sie glucksend zu lachen an. Sie hatte schon früher von solchen Dingen gehört. Der Junge war ein empathischer Telepath, wenn auch noch ein unausgebildeter. Er konnte die Gefühle anderer Menschen lesen, aber nicht ihre Gedanken.
»Es ist schon gut, Flinx«, beruhigte sie ihn. Sie streckte die Hand aus und zerzauste ihm spielerisch das Haar. »Du hast es gut gemacht. Du hast mir, du hast uns beiden eine Menge Geld erspart.« Sie sah zu dem kleinen Lederbeutel hinüber, in dem sich jetzt die vier zurückgewonnenen und gesäuberten Ringe befanden. Sie rochen immer noch nach Desinfektionsmittel.
»Kein Wunder, dass dieser Dieb sich nicht ausmalen konnte, wie du ihn entdeckt hast. Du hast wirklich nicht gesehen, wie er die Ringe genommen hat?«
»Nein, Mutter. Ich war nicht einmal sicher, was er genommen hatte.«
»Du hast einfach die Reaktion in seinem Bewusstsein gefühlt.«
»Ich glaube schon«, sagte er. »Ich ... ich weiß nicht, wie das geschieht, aber ich weiß, dass die meisten Leute das nicht können, nicht wahr?«
»Nein«, sagte sie sanft, »die meisten anderen Leute können das nicht. Und manchmal werden sie sehr ungehalten, wenn sie glauben, dass jemand in der Nähe ist, der es kann.«
Flinx nickte ernst. »Wie die bösen Leute.«
»Vielleicht«, sagte sie und dachte über diese Möglichkeit nach. »Vielleicht wie die bösen Leute. Und du bist ganz sicher, dass du diese Fähigkeit nicht steuern kannst?« »Ja. - Ich habe es versucht. Manchmal ist es einfach da, ein Brennen in meinem Kopf. Aber die meiste Zeit ist es nicht da.«
Sie nickte.
»Das ist wirklich schade, sehr schade. Du hast etwas, was man als ein ›Talent‹ bezeichnet, Flinx.«
»Ein Talent.« Er dachte einen Augenblick lang darüber nach und fragte dann unsicher: »Ist das etwas Gutes?«
»Das kann es sein. Das kann auch etwas Gefährliches sein, Flinx. Wir müssen ein Geheimnis daraus machen, dein und mein Geheimnis. Du darfst davon nie sonst jemandem etwas sagen.«
»Das werde ich nicht«, murmelte er und fügte dann energisch hinzu, »das verspreche ich. Dann bist du mir also nicht böse?«
»Böse?« Sie kicherte. »Aber weshalb sollte ich dir denn böse sein, Junge? Ich hab meine Ringe zurück, und du hast dir bei unseren Nachbarn gehörigen Respekt verschafft. Auf dem Markt ist das so gut wie bares Geld, wie du vielleicht eines Tages feststellen wirst. Die meinen jetzt, dass du ein scharfes Auge und eine noch schärfere Zunge hast. Die Wirklichkeit wäre noch etwas mehr, aber ich zweifle nicht, dass du auch dem Besten von denen mit dem Mund gewachsen wärst. Behalte dein Talent für dich! Denk an unser Geheimnis!«
»Unser Geheimnis«, wiederholte er ernst.
»Kannst du sonst noch etwas?« fragte sie ihn, bemüht, nicht zu eifrig zu klingen. »Ich meine, noch etwas anderes, außer zu fühlen, was andere fühlen?«
»Ich glaube nicht. Obwohl ich manchmal das Gefühl habe ... - ich weiß nicht. Es brennt, und dann bekomme ich Angst. Ich weiß nicht, wie es mir geschieht oder warum.«
»Mach dir deshalb keine Sorgen, Junge.« Sie bedrängte ihn nicht weiter, weil sie bemerkte, dass es ihn unruhig machte. »Du brauchst vor nichts Angst
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