Flitterwochen
äh, Pension. Die vermieten auch Zimmer an Monteure. Ich kann euch hinbringen, wenn ihr wollt.«
Da uns nichts anderes übrigbleibt, nehmen wir sein Angebot dankend an. Kevin schleppt unseren Eins-a-Gebrauchtwagen mit einem riesigen amerikanischen Pick-up auf seinen Hof. Vom Kläffen seines Wachhundes wird auch endlich Oma Strelow wach. Verwirrt schaut sie sich um.
»Sind wir schon da? Mein Gott, hat sich das hier verändert. Ich erkenn gar nichts wieder …«
»Wir sind noch nicht da«, erklärt Jan und hilft ihr ganz behutsam aus dem Auto. »Wir haben eine Panne. Aber das macht nichts. Es gibt in der Nähe eine ganz zauberhafte Pension, in der wir für diese Nacht bestimmt ein Zimmer bekommen.«
Die ganz zauberhafte Pension liegt einsam mitten im Wald und trägt den ebenso malerischen wie originellen Namen
Waldschlösschen.
An der Vorderseite des heruntergekommenen Fachwerkhauses prangt eine leuchtende Neonreklame:
Tabledance
blinkt es uns verheißungsvoll in Grün und Rot entgegen. An der fest verschlossenen Tür klebt ein Zettel: Wenn von Baustelle, Schuhe aus!
Kevin brüllt noch: »Tschüss, bis morgen!«, dann braust er davon und überlässt uns unserem ungewissen Schicksal. Ich rüttele an der Tür und klopfe, Jan brüllt: »Huhu!«, Oma Strelow steht etwas verschüchtert unter einer riesigen Tanne. Wirklich vertrauenerweckend sieht das Etablissement ja nicht gerade aus. Die Tür fliegt auf, und eine leicht verlebte Mittvierzigerin in einem schreiend pinkfarbenen Frottee-Bademantel mit dazu passenden Puschen schaut uns verschlafen an. »Wat jibbet denn?«, gähnt sie. Offenbar haben wir sie aus ihrem Schönheitsschlaf gerissen.
»Entschuldigen Sie bitte vielmals die Störung«, sagt Jan formvollendet. »Wir sind auf der Durchreise mit unserem Auto liegen geblieben, und nun brauchen wir eine Übernachtungsmöglichkeit. Haben Sie zufällig noch zwei Zimmer frei?«
»Drei Zimmer«, falle ich ihm ins Wort. Ich werde weder mit einem wildfremden Mann noch mit einer durchgedrehten Seniorin zusammen in einem Raum schlafen. So weit kommt das noch!
»Ach so, Sie brauchen ein Zimmer.« Die Dame des Hauses wirkt erleichtert. »Ich dachte schon, Sie wären die Neue …« Sie zeigt auf mich.
Die Neue? Die neue was?
»Da hab ich aber grade einen Schreck gekriegt. Sie sind ja schon viel zu alt für den Job. Ich hab nämlich dem Gerd extra gesagt: Schick mir nicht wieder son Auslaufmodell, mit denen haste nur Probleme. Lieber wat Blutjunges, auch ohne Erfahrung. Die zicken wenigstens nicht rum.«
Gerd? Auslaufmodell? Blutjung? Wo sind wir denn hier gelandet? Aber bevor ich noch Gelegenheit habe nachzufragen, redet die Frau einfach weiter.
»Zimmer hab ich ohne Ende, kein Problem. Kommse mal mit.«
Wir folgen ihr ins Innere des Hauses, das ziemlich muffig und feucht riecht. Unsere Gastgeberin watschelt eine knarzende Holztreppe hoch und öffnet mit großer Geste drei Türen.
»Bitte schön! Is jetzt nicht das Ritz, aber sauber und ordentlich. Klo und Dusche sind den Flur runter, hinten links. Ein Zimmer kostet zwanzig Euro pro Nacht, ohne Frühstück. n Kaffee kann ich Ihnen aber morgen früh machen.«
Mein Magen knurrt laut und deutlich. Wann habe ich eigentlich das letzte Mal was gegessen? Ach ja, heute Morgen. Und jetzt wird es draußen schon langsam dunkel.
»Gibt es hier irgendwo ein Restaurant, das wir zu Fuß erreichen können?«, frage ich vorwitzig.
»Ein Restaurant? Hier?« Die Frau lacht schallend. Anscheinend habe ich einen guten Witz gemacht.
»Nä, ’n Restaurang ham wa nich. Aber ich mach Ihnen ma ’n paar Würstchen aus der Büchse heiß. Senf is auch noch da.« Damit wackelt sie davon.
Oma Strelow, Jan und ich inspizieren unsere Zimmer. Die sind so weit tatsächlich ganz in Ordnung, jedenfalls kann ich nirgendwo Kakerlaken oder sonstiges Ungeziefer entdecken, auch nicht unter meinem Bett, das laut quietscht, als ich mich draufsetze. Jan ist mit unserer Unterkunft ebenfalls zufrieden.
»Für eine Nacht wird das schon gehen«, sagt er zuversichtlich.
Nur Oma Strelow macht keinen guten Eindruck. Sie zittert ein bisschen und blickt ängstlich hin und her. Jetzt gerade tut sie mir ein bisschen leid.
»Was hat sie denn?«, flüstere ich Jan zu.
Das obligatorische Schulterzucken. »Weiß nicht. Vielleicht ist sie unterzuckert oder braucht etwas zu trinken. Wir sollten uns schleunigst auf die Suche nach unseren Würstchen machen.«
Das finde ich auch, und so haken wir Oma unter und irren
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