Flitterwochen
Stelle als Lehrerin frei …«
»Ja? Wo denn?«
»Äh, äh … in Münster«, denke ich mir blitzschnell aus. Gott sei Dank scheint Karolinas Neugier erst mal befriedigt. Sie schweigt nämlich und kaut an ihrer Unterlippe. Aber dann legt sie nach.
»Du, Tine, weißt du, was ich auch komisch finde?«
Och nö, ich will nicht mehr! »Was denn, Karolina?«
»Dass du deine Oma manchmal siezt und Frau Strelow zu ihr sagst …«
Scheiße, jetzt hat sie mich! Denk nach, Tine, denk nach! Und dann kommt mir ein rettender Einfall. Etwas hochnäsig sage ich: »Das kannst du natürlich nicht wissen, aber Oma entstammt ja einem alten pommerschen Adelsgeschlecht. Und früher war es bei uns Sitte, Eltern und Großeltern mit Sie anzureden. So als Zeichen des Respekts und der Ehrerbietung. Manchmal machen wir das heute noch, alte Familientradition eben.«
Karolina haucht noch ehrfürchtig ein »Echt?«, dann schweigt sie. Ha, jetzt hab ich sie! Bis wir bei der Schneiderin eintreffen, herrscht tatsächlich Ruhe.
Dort allerdings reden dann drei wildfremde Polinnen gleichzeitig auf mich ein und nötigen mich, in mein Brautkleid zu schlüpfen. Sie zupfen und zerren an mir herum, dass es eine wahre Freude ist. Eine klopft dabei immer wieder auf meinen Bauch und sieht mich herausfordernd an.
»Sie meint, dass du das Kleid eine Nummer zu klein gekauft hast. Es sitzt nicht richtig in der Taille«, übersetzt Karolina die rüden Annäherungsversuche ihrer Landsmännin.
Wie, eine Nummer zu klein gekauft? Das Teil ist maßgeschneidert! Und neulich bei der Anprobe hat es noch gepasst wie angegossen. Jetzt allerdings zwickt es tatsächlich etwas am Bauch. Bestimmt habe ich das der opulenten Vollpension bei Tante Małgorzata zu verdanken. Polnische Würste sind zwar köstlich, gehen aber anscheinend direkt auf die Hüfte. Na ja, wenn ich die Luft anhalte, wird’s schon gehen.
Jetzt wedelt eine der Damen mit einer Korsage. Das meinen die doch nicht ernst? Doch, sie tun es und zwingen mich, mich in das Folterinstrument zu zwängen. Karolina zieht hinten beherzt an den Schnüren, wobei sie es – nicht ganz unabsichtlich, wie mir scheint – ziemlich übertreibt, so dass ich tatsächlich keine Luft mehr bekomme. Bevor ich aber ohnmächtig zu Boden sinken kann, lockert sich der Stahlgriff wieder.
»Bist du verrückt?«, japse ich. »Das Ding trage ich nie und nimmer! Nur über meine Leiche!«
»Aber das Kleid sitzt nicht«, beschwert sich meine zukünftige Schwägerin.
»Jetzt mach mal halblang. So schlimm ist es auch wieder nicht! Ich ess jetzt die nächsten beiden Tage etwas weniger, und dann sitzt es auch wieder!«
»Wenn du meinst«, entgegnet Karolina spitz.
Genau das meine ich, und deshalb ist diese Anprobe jetzt auch beendet. Mein Kleid muss ich aber trotzdem dalassen, es soll noch mal ordentlich aufgebügelt werden. Also zuckeln Karolina und ich weiter zum Friseur. Wir fahren schweigend in die Kolberger Innenstadt und betreten einen Salon, der mich vom Ambiente her an die deutschen siebziger Jahre erinnert. Von der Decke hängen riesige Trockenhauben, die Waschbecken sind dunkelbraun, die Wände hellgrün.
Ich muss mich vor einem Spiegel auf einen extrem unbequemen Stuhl setzen, den eine Frau namens Danuta, offenbar die Chefin hier, energisch in schwindelerregende Höhen pumpt. Dann fährt sie mir ruppig mit beiden Händen über den Kopf und betrachtet unzufrieden mein Haupthaar. Zwischen ihr und Karolina entspinnt sich ein längerer Disput.
»Etwas kürzen und Strähnen«, erklärt Karolina mir anschließend.
»Muss das sein?«, frage ich kläglich, obwohl ich die Antwort eigentlich schon kenne.
Zwei Stunden später habe ich im wahrsten Sinne des Wortes Federn gelassen, ich meine: Haare. Meine ehemals lange Mähne ist ordentlich gekürzt, ich trage jetzt das, was man wohl einen flotten Stufenschnitt nennt – in ungefähr zehn unterschiedlichen Längen. Dazu kommen äußerst gewöhnungsbedürftige Strähnen in diversen Blond-Schattierungen, von leicht rötlich bis nahezu weiß.
»Und, gefällt es dir?«, fragt mich Karolina gespannt.
Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll, ich will ja auch nicht unhöflich sein. »Äh, nun ja, das ist ganz … außergewöhnlich. Also ungewohnt, aber gar nicht so schlecht.«
Karolina und die Friseurin nehmen das als Kompliment und sind hochzufrieden. »Na siehst du«, meint Karolina. »Jetzt hast du einen ordentlichen und schicken Haarschnitt. Außerdem kann Danuta dir so
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