Flitterwochen
Wahrheit sagen – die hätte uns ja kein Schwein geglaubt. Mann, gut, dass du wieder da bist. Die werden gleich aus allen Wolken fallen!«
Das tun sie tatsächlich. Als wir plötzlich mit Gerda Strelow im Schlepptau in Tante Małgorzatas Wohnzimmer stehen, ist dort schon wieder die komplette Sippschaft versammelt. Allerdings sieht es nicht unbedingt nach einem Kaffeekränzchen aus, eher nach einem handfesten Krisengespräch. Die erregte Diskussion endet abrupt, als Jan Oma nach vorne schiebt.
»Darf ich vorstellen«, ruft er, »das ist Oma Gerda, also Frau Strelow aus Lübeck. Ihr wisst ja alle, wer sie ist. Und Gerda möchte euch jetzt etwas sagen!«
Doch bevor Frau Strelow dazu kommt, bricht noch einmal ein kleiner Tumult aus. Alle reden aufgeregt durcheinander, Karolina übersetzt offenbar, was Jan gerade angekündigt hat, und dann schnattern alle noch mehr.
»Ruhe!«, brüllt Jan und noch einmal: »Ruhe, cisza!«
Die Meute verstummt, ein erwartungsvolles Schweigen breitet sich aus, alle starren uns an. Frau Strelow ist diese ganze Aufmerksamkeit offensichtlich etwas unangenehm. Verlegen nestelt sie an ihrem Rock, ihr Blick flackert. Jan und ich schauen uns unsicher an und denken wohl beide das Gleiche: O nein, bitte bleib jetzt klar im Kopf!
Oma räuspert sich energisch und drückt den Rücken durch. Gott sei Dank, blinder Alarm. Dann erhebt sie die Stimme: »Also, ich freue mich sehr, Sie alle endlich einmal kennenzulernen. Jans Mutter hat mir ja schon so viel von Ihnen erzählt.«
Karolina übersetzt flüsternd, die Spannung im Raum steigt, man kann sie förmlich mit Händen greifen.
»Und noch mehr freut es mich, dass Sie meine Enkelin Tine so herzlich in Ihre Familie aufgenommen haben.«
Wie? Was? Enkelin? Was redet die denn da?
Aber Oma Gerda kann das eben Gesagte noch toppen: »Ich kann mir vorstellen, dass Sie ziemlich überrascht waren. Das war ich nämlich auch, als die beiden Schlingel …«, jetzt zwinkert sie Jan und mir, die wir beide mit heruntergeklappter Kinnlade dastehen, schelmisch zu, »… mir von ihrer heimlichen Hochzeit erzählt haben. Aber wo die Liebe eben hinfällt …«
12 . Kapitel
E ntgeistert starre ich auf das Buch, das mir Onkelchen Bogumił gerade in die Hand gedrückt hat. Es trägt den verheißungsvollen Titel
Seks.
Karolina klopft mir aufmunternd auf den Rücken. »Das ist mittlerweile fast ein Standardwerk«, erklärt sie. »Da drin steht alles, was du wissen musst. Ich übersetze es dir natürlich gern.«
Wir sitzen in der Sakristei von Bogumiłs Kirche, und ich habe gerade meine erste Stunde im sogenannten Brautunterricht. Den absolvieren nämlich fast alle polnischen Paare, bevor sie heiraten, hat Karolina mir versichert. Neben anderen spannenden Themen darf man dort auch mit einem Priester über Sex in der Ehe sprechen. Und da Karolina großzügig angeboten hat, als meine Trauzeugin zu fungieren, ist sie natürlich mit von der Partie.
Ich glaube, es hakt. Ich spreche mit Onkelchen gern über Gott und die Welt, aber sicher nicht über mein Sexualleben. Das geht den gar nichts an. Ich glaube, Bogumił denkt ähnlich. Denn jetzt hüstelt er und sagt etwas zu Karolina, die als Dolmetscherin fungiert.
»Also, Onkelchen meint auch, dass du dir das Buch nachher mal in Ruhe anschauen sollst. Und wenn du Fragen hast, kannst du die ja mit mir besprechen.«
Ich bin mir schon jetzt sehr sicher, dass ich keine einzige Frage haben werde. »Genau so wird’s gemacht!«, sage ich erleichtert. »Und was kommt als Nächstes?«
Bogumił sieht auf seinen Zettel und kratzt sich am Kopf. Dieser Brautunterricht geht normalerweise angeblich über mehrere Wochen, aber die Zeit haben wir leider nicht. Denn am Freitag – Tataaa und Tusch! – werden Jan und ich schon heiraten. Kirchlich. Und Onkelchen höchstpersönlich wird uns trauen. Das ist wahrscheinlich total illegal – und deswegen sicher auch total unwirksam –, denn Onkelchen muss nonchalant über die Tatsache hinwegsehen, dass wir weder Unterlagen von einem deutschen Standesamt haben noch vorweisen können, bei einem polnischen registriert zu sein.
So weit der Plan. Und deshalb müssen wir uns jetzt auch ein wenig sputen, damit wir mich, religiös gesehen, noch in die richtige Spur bringen. Sonst bekommt Jans Mutter in Anbetracht seines offenbar liederlichen Lebenswandels noch einen Herzinfarkt und/oder enterbt ihn. Auch wenn es meine vorübergehende katholische Missionierung bedeutet – wir müssen das
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