Flitterwochen
jetzt durchziehen.
Nach Oma Gerdas salbungsvoller Ansprache vor versammelter Mannschaft war Jan kurz davor, ihr den Hals umzudrehen. Ich übrigens auch. Aber zum Glück hatte ich noch sein »Tote Oma – kein Alibi« im Ohr und konnte Schlimmeres verhindern. Jedenfalls war Jan stinksauer, zerrte Oma in die Küche und stellte sie zur Rede.
»Ach, Fritz«, hauchte sie nur, »ich bin so froh, dass wir endlich alle wieder zusammen sind.« Und dann brabbelte sie noch ein bisschen weiter wirres Zeug. Jedenfalls sahen wir schnell ein, dass es in diesem Moment überhaupt keinen Sinn hatte, ihr noch mehr zuzusetzen. Ganz im Gegenteil.
»Wir lassen sie vielleicht lieber erst mal in Ruhe«, meinte Jan, nachdem er sich etwas beruhigt hatte. »Nicht dass sie uns komplett abtaucht und aus ihrem Wahn gar nicht mehr herausfindet.« Da konnte ich ihm nur zustimmen. Denn eine komplett entrückte Oma war genauso viel wert wie eine tote Oma.
Deshalb sitze ich nun also hier mit Bogumił und Karolina, und die beiden fragen mir Löcher in den Bauch. Ob ich denn überhaupt getauft sei? Ja, klar, bin ich – sogar konfirmiert! Schließlich stamme ich aus einem anständigen protestantischen Haushalt. Das scheint Onkelchen etwas zu beruhigen. Dann will er wissen, wie mein zweiter Name lautet.
»Mein was?«
»Dein zweiter Name«, wiederholt Karolina. »Du musst doch einen zweiten Namen haben.«
»Nö. Also, ich heiße Christine, kurz Tine. Das war’s.«
»Du hast bei deiner Firmung keinen zweiten Namen bekommen?«
»Das heißt bei uns nicht Firmung, sondern Konfirmation, und da gibt’s zwar viele Geschenke, aber keine Namen.«
Bogumił ist entsetzt, Karolina ratlos. Die beiden tuscheln miteinander. Bogumił grummelt, streicht sich über seinen Bart, steht kurz entschlossen auf, besprenkelt mich mit Weihwasser und schlägt über mir ein Kreuz. Dann sagt er feierlich: »Maria!«
»Bitte?«
»Du heißt jetzt Christine Maria«, erklärt Karolina und seufzt befriedigt. »Ein Priester in der Familie ist einfach unbezahlbar.«
Christine Maria, aha. Klingt gar nicht so schlecht. Und das ging auch ganz schön fix. Dann können wir ja jetzt wieder nach Hause fahren, also zu Tante Małgorzata.
Aber leider können wir das noch lange nicht, denn jetzt will Onkelchen mit mir den Rosenkranz proben. Auf Polnisch, versteht sich. Er spricht mir vor, ich spreche ihm nach, Karolina verbessert mich. Nach zwei Stunden bin ich mit den Nerven am Ende, hab’s aber einigermaßen drauf. Meine beiden Kerkermeister entlassen mich für heute mit dem Hinweis, dass es morgen in die zweite Runde geht. Die können mich mal.
Ziemlich gereizt stürme ich in Tante Małgorzatas Wohnung und schnappe mir Jan, der sehr entspannt mit einem Großteil der Familie vor dem Fernseher sitzt.
»Schahatz!«, trompete ich, »hast du mal eine Sekunde für deine dich liebende Frahau?«
Bei meiner Tonlage zuckt er zusammen und springt sofort auf. »Stimmt was nicht, Tine? War der Brautunterricht nicht gut?«
»Komm doch mal kurz in die Küüüche«, flöte ich. »Wir müssen reeeden. Unter vier Augen!«
Ich schließe hinter uns die Küchentür und lasse mich ermattet auf einen Stuhl fallen. »Jan, so geht das nicht weiter«, stöhne ich. »Das halt ich echt nicht durch. Wir brauchen eine Planänderung.«
»Na ja, wenn der Unterricht zu schwer für dich ist, kann ich ja mal mit Bogumił reden. Vielleicht können wir auch ein paar Tage später heiraten.«
»Bist du bekloppt? Ich kann doch nicht noch länger in Polen bleiben!«, fahre ich ihn an. »Je länger ich abgetaucht bin, desto schwieriger wird es, der Polizei alles zu erklären.«
»Ja, das stimmt natürlich. Aber Gerda ist immer noch so verwirrt. Vorhin hat sie zu Onkel Leszek immer Heinzi gesagt und wollte auf seinem Schoß sitzen.«
»Eben, und deshalb müssen wir sofort weg. Ich habe den Eindruck, dass sich Omas Zustand hier verschlimmert. Du packst jetzt unauffällig unsere zwei Sachen zusammen, dann sagen wir, dass wir mit Gerda einen Spaziergang machen – und dann geht’s ab durch die Mitte nach Lübeck. Bestimmt wird sie in ihrer vertrauten Umgebung schneller wieder klar im Kopf!«
»Nee, das geht nicht.« Jan hebt bedauernd die Hände.
»Wieso geht das nicht? Klar geht das!«
»Tine, die Hochzeit müssen wir jetzt irgendwie durchziehen, sonst kann ich mich bei meiner Familie nie wieder blicken lassen. Das wäre für alle ganz schlimm, wenn wir jetzt einfach abhauen.«
»Aber wir können das Märchen
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