Flitterwochen
von unserer Scheinehe ja nicht ewig weiterspielen. Stell dir vor, wir sind wieder in Deutschland, und deine Mutter oder Karolina wollen uns mal besuchen. Dann ist doch sowieso alles vorbei!«
»Ach was, in einem halben Jahr erzähle ich einfach, dass wir doch nicht so gut zusammengepasst haben und wieder geschieden sind. Die Version schlucken sie auf alle Fälle eher, als dass ich in wilder Ehe lebe.«
»Ach, und geschieden ist da besser?«
Jan nickt. »Ja, viel, viel besser! Das gibt’s hier auch häufiger. Und wie schwierig das ist, mit einer Deutschen verheiratet zu sein, kann sich bestimmt jeder in meiner Familie ausmalen. Ihr seid einfach zu korrekt, zu penibel – eben einfach spaßfrei.« Er grinst.
»Na, vielen Dank für die Blumen. Das freut mich ja riesig, dass ich jetzt berufen bin, mit einer wahren Liebeshochzeit das Deutschenbild deiner Familie aufzupolieren.«
Dass ich mittlerweile etwas zickig klinge, übergeht Jan einfach. Stattdessen macht er eine generöse Handbewegung, die wahrscheinlich irgendwas zwischen
Schwamm drüber
und
Baby, ich erklär dir jetzt mal die Welt
bedeuten soll. Spinner.
»Ich weiß, das ist für dich als Deutsche schwer nachzuvollziehen, aber wir Polen ticken da einfach anders.«
Dass die Polen anders ticken, insbesondere, wenn es um das Thema Familie geht, habe ich in den letzten Tagen schon mitbekommen. Und vermutlich gibt es wirklich Zoff, wenn Jan sich jetzt vom Acker macht. Ich muss ja nur an Karolina denken, diesen Zerberus.
Kurz überlege ich, einfach heimlich mit Oma die Biege zu machen – ohne Jan. Aber das kann ich ihm nicht antun. Er geht mir zwar gelegentlich auf den Keks, aber schließlich war er auch die ganze Zeit für mich da und hat mir geholfen. Ich kann ihn jetzt nicht im Stich lassen. Schließlich heiße ich nicht Alexander. Sondern Christine Maria. Und gerade mein zweiter Name verpflichtet irgendwie.
»Na gut«, ich seufze tief. »Dann bringen wir das jetzt hinter uns. Aber so schnell wie möglich – am Freitag wird geheiratet, keinen Tag später!«
»Aye, aye, Käpt’n!«, sagt Jan und grinst.
Dann steckt auch schon Tante Małgorzata ihren Kopf durch die Tür – ohne anzuklopfen, versteht sich – und nötigt ihren Neffen zum Aufbruch.
»Wohin geht ihr denn?«, frage ich neugierig.
»Ich brauche doch noch was zum Anziehen«, antwortet Jan und deutet auf seine fleckige Hose. »In den Klamotten kann ich wohl schlecht vor den Altar treten.«
»Soll ich mitkommen?«
»Nee, dafür hast du gar keine Zeit. Karolina will mit dir gleich zur Schneiderin.«
»Zur Schneiderin? Was soll ich denn da?«
»Anprobe. Dein Kleid soll ja ordentlich sitzen. Und zum Friseur will sie auch noch mit dir, das Styling für Freitag besprechen.«
Tja, so ist das eben, wenn man heiratet, da hat man jede Menge um die Ohren. Wehmütig denke ich an das Rundum-sorglos-Paket, das ich zu diesem Zweck auf den Seychellen gebucht hatte.
Jan entschwindet mit seiner Tante, ich mache mich mit Karolina auf den Weg. Aber nicht, ohne mich vorher noch einmal zu vergewissern, dass mit Oma Strelow alles okay ist. Die sitzt jedoch ganz friedlich mit Onkel Leszek im Wohnzimmer, spielt Karten und macht nicht den Eindruck, als würde sie mal wieder abhauen wollen. Ganz im Gegenteil: Sie sieht sehr, sehr zufrieden aus.
»Na, Kindchen«, kichert sie, als sie mich sieht, »Freitag ist dein großer Tag. Hach, ich freu mich so! Und du? Bist du denn schon aufgeregt?«
»Natürlich … und wie, Omi!«, bringe ich mit zusammengebissenen Zähnen hervor. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass die alte Dame uns alle an der Nase herumführt. Aber sicher bin ich mir auch nicht, deshalb ziehe ich mit Karolina schnell Leine.
Auf der Fahrt zur Schneiderin hat Jans Schwester wieder tausend Fragen, ihre Neugier ist echt kaum zu bremsen.
»Sag mal«, eröffnet sie das Gespräch, »siehst du deine Oma oft?«
»Äh, ja, doch. Ziemlich regelmäßig«, sage ich ausweichend.
»Hmm, komisch. Mama hat nie erzählt, dass Frau Strelow viel Kontakt hat zu ihrer Familie. Von einer Enkelin war nie die Rede …«
»Ja, also, äh, so viel Kontakt haben wir dann auch wieder nicht. Das ist erst in letzter Zeit mehr geworden.«
»Aha. Und wie kommt das?«
Mist, die lässt einfach nicht locker, Karolina könnte wirklich gut beim Verfassungsschutz arbeiten. »Also, äh, ich bin erst vor kurzem nach Lübeck zurückgezogen. Ich hab vorher in einer anderen Stadt gearbeitet. In Lübeck war erst keine
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