Flitterwochen
sonst fliegt die ganze Geschichte doch auf! Meine Mutter spricht schließlich ausgezeichnet Deutsch.«
»Na und? Das lasse ich nicht auf mir sitzen!«
»Mann, Tine, jetzt beruhige dich mal. Okay, vielleicht war es nicht die beste Idee, die ich jemals hatte. Aber wenn ich mich in Deutschland über jeden doofen Polenwitz oder jedes Vorurteil so aufregen würde wie du dich jetzt, dann hätte ich viel zu tun.«
»Das willst du jetzt nicht ernsthaft vergleichen!«
»Doch. Dein Vater ist kein Nazi, und ich habe noch nie ein Auto geklaut oder Zigaretten geschmuggelt. Wenn ich meiner Mutter jetzt die Wahrheit sage, redet sie nie wieder mit mir.«
Ich seufze. »Okay. Aber dann hätte ich jetzt gerne die komplette Version deiner Geschichte, damit ich überhaupt weiß, was sie jetzt glaubt.«
Jan grinst. »Also: Wir haben uns bei Oma kennengelernt und ineinander verliebt. Dein Vater ist dahintergekommen und war entsetzt. Als Nazi duldet er keinen polnischen Schwiegersohn. Du hast dir unsere Liebe aber nicht verbieten lassen und hast mich heimlich geheiratet. Oma hat uns gedeckt und bei der Flucht geholfen.«
»Aber deine Mutter kennt doch Omas Familie – das kann sie doch nie und nimmer geschluckt haben!«
»Na, dein Vater ist nicht ihr Sohn, sondern ihr Schwiegersohn. Und sie mochte ihn noch nie.«
»Hat Gerda überhaupt eine Tochter? Du hast bisher immer nur von den Söhnen erzählt.«
»Woher soll ich das wissen? Ich habe gesagt, dass Oma zu der Tochter eigentlich keinen Kontakt mehr hat. Wegen des Nazi-Schwiegersohns.«
Ohgottogott! Was für ein Lügengebilde! Wie soll ich mir das alles merken? Das wird uns doch demnächst um die Ohren fliegen.
Offenbar gucke ich völlig entgeistert, denn jetzt legt Jan seinen Arm um mich und zieht mich näher an sich.
»Sieh es mal so, Tine: Die Geschichte ist total romantisch. Wie Romeo und Julia, nur mit Happy End. Und das ist auch der eigentliche Grund, warum mir das alle abgekauft haben: Nicht wegen der Nazis. Sondern wegen der Liebe – weil wir Polen nämlich ein Volk von großen Romantikern sind.«
Gut. Ich bin zwar noch sauer, aber irgendwie ist Jan auch sehr süß, wenn er so etwas sagt und sein Blick beim Wort
Liebe
ganz weich wird. Ich beschließe, meinen Frieden mit dieser Räuberpistole zu machen, auch wenn meinem armen Vater hier übles Unrecht getan wird. Die einzige ansatzweise militärische Führungsposition, die er jemals bekleidet hat, war nämlich Kassenwart im Schützenverein. Und das auch nur zwei Jahre lang, denn dann unterlag er bei einer Kampfabstimmung seinem Freund Günther.
»Und, wie gefällt es dir?« Jan schaut mich erwartungsvoll an. Und damit ist er nicht allein. Auch Mateusz – seines Zeichens mein angehender Schwippschwager in nicht wirklich nachkonstruierbarer Linie, aber außerdem Patensohn der Großcousine von Tante Małgorzatas Friseurin Danuta – guckt gespannt.
Ich zögere ein bisschen, um die Spannung zu erhöhen, aber dann platzt es aus mir heraus: »Es ist wirklich großartig! Fantastisch! Wenn die hier so gut kochen können, wie das Restaurant aussieht, dann wird das ein ganz toller Abend.«
Jan dreht sich zu Mateusz und übersetzt, der strahlt stolz über das ganze Gesicht. Kein Wunder, er scheint so etwas wie der Geschäftsführer des
Domek Kata
zu sein.
»Jestem dumny, że – po tych wszystkich waszych tarapatach – mogę Was ugościć w moim lokalu. Bowiem staliście się dla mnie symbolem wielkiej miłości. Oto zwycięstwo serca nad niegodziwością świata.«
»Er sagt, es ist ihm eine ganz besondere Ehre.«
»Echt? Dieser ganze Sermon heißt nur, es sei ihm eine Ehre?«
Okay, ich kann auch nach einer Woche noch kein Polnisch – aber zumindest habe ich schon ein gewisses Gefühl dafür entwickelt, wie lang so ein polnischer Satz im Vergleich zu einem deutschen ist. Und ich glaube, Jan hat da irgendwas unterschlagen. Ich sehe ihn streng an.
»Na gut: Er ist stolz, unser Gastgeber zu sein, nach all dem, was wir durchgemacht haben, denn wir sind für ihn das Symbol einer großen Liebe. Der Sieg des Herzens über die Schlechtigkeit der Welt.«
Auweia! Die Geschichte zieht wirklich Kreise! Hoffentlich erfährt in Lübeck nie jemand von diesem ganzen Theater. Ich frage mich langsam, ob es nicht besser gewesen wäre, Jans Familie die Nummer mit dem Bankraub zu erklären. Viel schlimmer hätte es dann auch nicht kommen können. Ich seufze, Jan guckt bedröppelt.
»Ach komm, Tine – ist doch klasse, dass
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