Flitterwochen
werden sie. Es ist zumindest nicht wirklich gelogen. Also, es ist sogar fast die Wahrheit.«
Nur halt nicht die alleinige, füge ich in Gedanken hinzu.
Falls Alexander glücklich ist, dass ich aus der U-Haft entlassen wurde, weiß er es jedenfalls geschickt zu verbergen. Schweigend fährt er mich nach Hause, wortlos lässt er mich in die Wohnung. Während ich mich ausziehe, um unter die Dusche zu gehen, schaltet er im Wohnzimmer den Fernseher ein.
Läuft ja großartig hier.
Ich werfe einen Blick in den Badezimmerspiegel. Blass bin ich, ganz schön abgekämpft. Das ist natürlich kein Wunder, schließlich waren die letzten Stunden nicht gerade ein Wellness-Trip ins Beauty-Spa. Jetzt eine Ladung heißes Wasser und dann schlafen, nur noch schlafen. Vielleicht ist Alexanders Schweigsamkeit auch nicht so schlecht, wie sie sich gerade anfühlt. Für ein Problemgespräch bin ich jedenfalls viel zu gerädert.
Bevor ich den Wasserhahn aufdrehe, bleibt mein Blick am Regal mit den Cremes hängen. Da steht sie: eine Riesenflasche Sun-Blocker, Lichtschutzfaktor 50 , eigens für die Seychellen eingekauft. Wer will die Flitterwochen schon auf dem Bauch liegend verbringen, den Rücken mit Joghurt oder Speisequark eingeschmiert, weil man sich den Sonnenbrand des Jahrhunderts eingefangen hat? Ich nehme die Flasche in die Hand, öffne sie und schnuppere. Ein süßlicher Geruch, vermischt mit einem Hauch Zitrone. Als ich sie gekauft habe, konnte ich mir genau vorstellen, wie mir Alexander den Rücken damit eincremt. Der Gedanke jagte mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. Keine zwei Wochen ist das her – und heute ist nichts mehr, wie es war.
Ich drehe den Wasserhahn wieder zu, gehe zurück ins Schlafzimmer und ziehe mich an. Jeans und T-Shirt reichen, auf Schönheit kommt es jetzt nicht an. Eher auf Wahrheit. Wobei: Einmal die Haare durchbürsten kann trotzdem nicht schaden. Schnell binde ich mir noch einen Pferdeschwanz – fertig. Bevor ich die Wohnung verlasse, mache ich einen Umweg über das Wohnzimmer.
»Alex, ich muss noch mal kurz weg.«
Er schaut nur kurz auf, sagt aber immer noch nichts. Ist mir auch recht. Ich greife mir meinen Fahrradschlüssel vom Bord an der Haustür und mache mich auf den Weg. Zum Haus von Gerda in der Wakenitzstraße werde ich ungefähr zehn Minuten brauchen. Ich hoffe, ich habe mir die richtige Hausnummer gemerkt.
21 . Kapitel
T ine!« Wenigstens Gerda freut sich, mich wiederzusehen. Das ist doch mal was. Sie nimmt mich sogar in den Arm und fragt dann besorgt: »Ist irgendwas passiert? Wie geht es dir?«
»Also mir geht’s ganz gut, und nein, es ist nichts passiert. Was soll denn jetzt noch groß passieren?« Mein anschließendes Lachen klingt anscheinend etwas verbittert, denn Oma schaut mich stirnrunzelnd an. Um weitere Fragen zu verhindern, schiebe ich ein schnelles »Hast du schon was von Jan gehört?« nach.
»Nein, und das macht mich ganz hibbelig! Ist der arme Junge denn immer noch bei der Polizei? Ich hab doch alles erzählt. Es gibt also gar keinen Grund, ihn weiter festzuhalten.« Oma schnauft empört.
In mir macht sich Enttäuschung breit. Natürlich bin ich davon ausgegangen, dass Jan längst wieder bei Gerda ist. Klar, ich will auch wissen, wie Oma Strelow alles überstanden hat, aber hauptsächlich bin ich gekommen, um Jan zu sehen. Wo steckt der nur? Die Hauptbeschuldigte war schließlich ich, und mich haben sie schon vor Stunden laufenlassen.
Mit hängenden Schultern stehe ich vor Gerda. Die seufzt tief. »Na, komm erst mal rein. Ich mach uns einen Tee, und dann sehen wir weiter.«
Müde schlurfe ich durch den Flur hinter ihr her und folge ihr in die Küche. Trotz meines desolaten Zustands registriere ich die wunderschönen alten Delfter Kacheln an der Wand und das auf Hochglanz polierte Fischgrätparkett. Die alte Jugendstil-Villa ist wirklich zauberhaft – von innen wie von außen. Und tipptopp in Schuss. Eine echte Lübecker Perle. Wenn Oma tatsächlich plant, den Schuppen zu verkaufen, hat sie ausgesorgt.
Gerda brüht den Tee auf und kredenzt ihn mir ganz stilecht mit Kandis und Sahne. Währenddessen erzähle ich ihr, was mir auf der Polizeidirektion widerfahren ist. Meine Begegnung mit Mandy scheint ihr besonders gut zu gefallen, denn sie hört gar nicht mehr auf zu kichern und wischt sich schließlich sogar Lachtränen aus dem Gesicht. Dann wird sie wieder ernst. »Kindchen, wie war denn das Wiedersehen mit deinem Alexander? Hat er sich bei dir
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